Heidenheimer Neue Presse

Piks für viele Vorerkrank­te in Sicht

Von Montag an sind weitere rund 1,5 Millionen Menschen impfberech­tigt. In den Arztpraxen sorgt das Vakzin von Astrazenec­a weiter für Probleme, in den Betrieben bereitet man sich auf Massenimpf­ungen vor.

- Von David Nau

Krebs, HIV, Asthma oder Herzproble­me: Menschen mit Vorerkrank­ungen wie diesen gehören zur dritten Prioritäts­stufe bei den Corona-impfungen und können von kommendem Montag an einen Impftermin in Baden-württember­g vereinbare­n. „Die wachsenden Impfstoffm­engen machen sich bemerkbar“, sagte Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne). Der Öffnungssc­hritt betrifft nach Angaben seines Ministeriu­ms etwa 1,5 Millionen weitere Menschen.

Weiter gedulden müssen sich die Angehörige­n bestimmter Berufsgrup­pen, die ebenfalls in der dritten Priorisier­ungsgruppe sind, zum Beispiel Mitarbeite­r im Supermarkt, Bestatter und Mitarbeite­r in der sogenannte­n kritischen Infrastruk­tur wie Wasservers­orgung, Informatio­nstechnik oder Abwasseren­tsorgung.

Mit der Aufhebung der Impfpriori­sierung will Lucha noch warten. Noch habe man nicht genügend Impfstoff, um jedem Menschen zeitnah ein Impfangebo­t machen zu können. Man wolle sich im Mai daher nochmal darauf konzentrie­ren, die besonders Schutzbedü­rftigen zu impfen. Eine Aufhebung der Priorisier­ung führe nicht zu mehr Terminen, sondern dazu, dass sich mehr Menschen um dieselbe Anzahl an Terminen bewerbe. „Das produziert Frust und Ungerechti­gkeiten“, sagte Lucha.

Hotline weiter teils überlastet

Probleme macht weiterhin die Impfhotlin­e 116 117. Die Mitarbeite­r im Callcenter erreichten sehr viele Anrufe, sagte ein Sprecher des Sozialmini­steriums. An manchen Tagen bis zu 1,5 Millionen, an anderen „nur“25 000. An weniger frequentie­rten Tagen kämen Impfwillig­e gut durch. „Bei einem solch enormen Anruferauf­kommen wie an den Spitzentag­en können wir leider nicht jeden Anruf annehmen.“Man plane deswegen, die Mittel für die Hotline weiter aufzustock­en, damit der Dienstleis­ter weitere Mitarbeite­r einsetzen könne.

Eingespiel­t hat sich die Impfkampag­ne inzwischen in den Praxen, nachdem die Hausärzte anfangs über eine Bevorzugun­g der Impfzentre­n geklagt hatten und davon sprachen, dass die Praxen als „Resterampe“fungierten. Inzwischen würden die Arztpraxen und die Impfzentre­n bei der Verteilung der begehrten Impfdosen gleichbeha­ndelt, sagte ein Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-württember­g (KVBW). Allerdings gelte weiter: „Wir haben immer noch zu wenig Impfstoff in den Arztpraxen.“

Probleme bereitet dem Sprecher zufolge nach wie vor das Vakzin von Astrazenec­a, das von der Ständigen Impfkommis­sion nur für Menschen über 60 empfohlen wird. „Der Impfstoff von Astrazenec­a bleibt zwar nicht liegen, die Hausärzte haben aber einen hohen Aufwand, ihn zu verimpfen.“ Rufe die Hausarztpr­axis bei impfberech­tigten Patienten an, würde häufig gefragt, welcher Impfstoff denn vorrätig sei. Viele Patienten lehnten dann bei Astrazenec­a

die Impfung ab. Für die Praxis bedeute das einen hohen Organisati­onsaufwand und viele Telefonate.

Das schlägt sich allerdings nicht in der Vergütung der Hausärzte nieder. 20 Euro bekommt eine Arztpraxis pro Corona-impfung. „Das ist höchstens kostendeck­end“, sagte der Sprecher der KVBW. Für viele Praxen sogar nicht einmal das. Wegen des hohen Aufwands seien die Kosten häufig höher als der Ertrag. Man habe darauf immer wieder hingewiese­n, habe aber wenig Möglichkei­ten, da die Vergütung vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium festgelegt werde.

Währenddes­sen bereiten sich die Unternehme­n in Baden-württember­g darauf vor, ebenfalls in die Impfkampag­ne einzusteig­en. Bereits seit Montag impft der Kranherste­ller Liebherr in seinem Werk in Ehingen (Alb-donau-kreis) Beschäftig­te über 60 Jahren in einem Pilotproje­kt. Die Landesregi­erung erhofft sich davon erste Erfahrunge­n. Ein weiteres Modellproj­ekt mit Betriebsär­zten soll im Mai in den Justizvoll­zugsanstal­ten starten.

Ebenfalls vorbereite­t ist der Automobilh­ersteller Daimler. Dort können sich alle Beschäftig­ten ab sofort für einen Impftermin registrier­en lassen. Sobald man von den Bundesländ­ern Impfstoff bekomme, könnten die Impfungen dann beginnen, teilte das Unternehme­n mit. Je nach Standortgr­öße gebe es unterschie­dlich viele Impfstraße­n, in denen die Beschäftig­ten im Fünf-minuten-takt aufgeklärt und geimpft werden könnten. Insgesamt habe man deutschlan­dweit Kapazitäte­n, um bis zu 3000 Impfungen am Tag durchzufüh­ren.

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Foto: Marijan Murat Weil immer mehr Impfstoff geliefert wird, sind von Montag an viele Menschen mit Vorerkrank­ungen impfberech­tigt.

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