„Ich bin raus, das ist mir zu heftig“
Ein Mittelalterfan zur falschen Zeit am falschen Ort – so stellt sich ein Angeklagter im „Gruppe-s.“-prozess dar.
Zwölf Männer sitzen auf der Anklagebank, elf mutmaßliche Mitglieder und ein mutmaßlicher Unterstützer der Terrorzelle „Gruppe S.“. Die Wahrheitsfindung in dem Mammutprozess am Oberlandesgericht Stuttgart ist schwer, weil die meisten der zwölf Angeklagten sich nicht zu den Vorwürfen äußern wollen. Doch einer bricht am Dienstag das Schweigen: Der, der für die Polizei arbeitete und die Gruppe unterstützt haben soll. Der Mann ist 51 Jahre alt, nach eigenen Aussagen ein großer Mittelalterfan aus Hamm in Nordrhein-westfalen.
Die „Gruppe S.“, benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. aus dem Raum Augsburg, soll Schusswaffen gehortet und Anschläge geplant haben. Die Männer wollten der Anklage zufolge Moscheen in kleinen Ortschaften überfallen und Muslime töten. Sie rekrutierten sich demnach aus Bürgerwehren, aus Gruppen mit Namen wie „Vikings Security Germania“oder „Wodans Erben“. Die Anschlagspläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein.
Der 51-jährige Polizeimitarbeiter will mit all dem nichts zu tun gehabt haben. Auch habe er nur einen der anderen Angeklagten gekannt, einen Mindener Bekannten,
der habe ihn auch in die Telegram-chatgruppe „Heimat“aufgenommen. Er habe stets gedacht, es gehe dabei um das Hobby Mittelalter.
Auch als er kurz vor einem Treffen der Gruppe in Minden im Februar 2020 von der „Bruderschaft Deutschland“, von Wodan und Wikingern hört, habe er angenommen, es handle sich um harmlose Mittelalterfans, nicht um Rechtsextremisten. Er fuhr dann zu einem Treffen. „Ich habe nicht großartig zugehört, was da geredet wurde“, sagt er. Der mutmaßliche Rädelsführer S. soll aber seinen Sitznachbarn gefragt haben, ob der wisse, wie man an eine Waffe rankomme. Der Kronzeuge U. habe gesagt, man müsse gegen Moscheen vorgehen. „Ich habe das auf der Rückfahrt ausgeblendet und als Spinnereien abgetan.“Am nächsten Tag habe er seinem Bekannten geschrieben: „Ich bin raus, das ist mir zu heftig.“