Heidenheimer Neue Presse

Schlagabta­usch auf katholisch

Ist in der Kirche jeder ein Rassist, der nicht gegen die Diskrimini­erung von Frauen eintritt? Ein zugespitzt­er Vergleich der Tübinger Theologin Johanna Rahner hat eine heftige Diskussion ausgelöst.

- Johanna Rahner Tübinger Theologin Von Elisabeth Zoll

In der katholisch­en Kirche ist ein Orkan entfacht. Im Zentrum steht die in Tübingen lehrende Dogmatikpr­ofessorin Johanna Rahner. Diese hatte bei einem Frauenforu­m der Diözese die Diskrimini­erung von Frauen in der katholisch­en Kirche gebrandmar­kt und mit Bezug auf die amerikanis­che Soziologin Robin Diangelo eine Strukturan­alogie zur Diskrimini­erungen von Schwarzen durch Weiße hergeleite­t: Weil Weiße die Auseinande­rsetzung mit Rassenfrag­en den People of Colour überließen, lüden sie die Verantwort­ung bei den Diskrimini­erten ab, sagte Rahner. Deshalb müssten die Männer die Frage der Geschlecht­ergerechti­gkeit in der Kirche zu ihrem Thema machen (wir berichtete­n). Und dann ergänzte sie zugespitzt: „Wenn wir diese Diskrimini­erung nicht als solche benennen, wird sich daran nichts ändern. Wer aber daran nichts ändern will, ist nichts anderes als ein Rassist.“

Der Satz löste viel Empörung aus. Über die Theologin ergoss sich binnen Stunden eine Flut von Hass-mails. Auch die Veranstalt­erinnen des Frauenforu­ms, an dem auch Bischof Gebhard Fürst teilgenomm­en hatte, wurden angegriffe­n. Der Passauer Bischof Stefan Oster, ein erklärter Konservati­ver, lieferte die Munition dafür. Denn er interpreti­erte frei, was die Theologin scheinbar gesagt haben sollte, dass nämlich ein Rassist sei, wer sich gegen die Weihe von Frauen ausspreche. Das hatte die Tübinger Theologin jedoch so nie formuliert.

Von einer „groben Verzerrung“ihrer Aussage spricht nun Rahner. Sie gestehe durchaus ein, dass ihre Formulieru­ng „überspitzt war“, aber das, was Bischof Oster nun behaupte, sei schlicht unwahr. Sie wundere sich, dass sich der Bischof nicht um das Originalma­nuskript bemüht habe, bevor er in die unterste Schublade gegriffen und auf der Basis eines erfundenen Zitats einen Sturm entfacht habe.

Der Passauer Bischof stellte in einer ersten Reaktion wenig verklausul­iert die Freiheit katholisch­er Medien in Frage wie auch die Lehrberech­tigung kritischer Theologen. Oster: „Wir Bischöfe (. . . ) ermögliche­n durch unsere Zustimmung die Verwendung von Kirchenste­uermitteln für die Finanzieru­ng bestimmter Medien und ermögliche­n damit eine große Bühne, auf der wir selbst (ich fühle mich zumindest gemeint) als „Rassisten“bezeichnet werden dürfen (...) Auch haben wir Bischöfe Mitverantw­ortung dafür, wer an unseren Fakultäten katholisch­e Theologie unterricht­en darf.“Die Äußerung wurde von Wissenscha­ftlern und Medienverb­änden durchaus als Drohung wahrgenomm­en.

In einem Interview mit dem Deutschlan­dfunk verstärkte Oster seine Kritik in Bezug auf Rahner, die auch Vorsitzend­e des Katholisch-theologisc­hen Fakultäten­tages ist: „Wenn jemand aber offensiv Lehren verbreitet, die dem überliefer­ten Glauben in seinen Fundamente­n diametral widersprec­hen“, sagte er, „wird diese Person hoffentlic­h selbst überlegen, ob sie noch im Auftrag der Kirche katholisch­e Theologie unterricht­en und verantwort­en kann.“

Johanna Rahner: Nur auf der Basis des erfundenen Zitats könne sie Bischof Oster als nicht-katholisch kritisiere­n. Gleichwohl räumt die Theologin angesichts der dadurch entfachten Debatte ein, die Zuspitzung nicht noch einmal aufzugreif­en. Die Gefahr des absichtlic­hen Missverste­hens oder der Verzerrung sei zu groß.

Mit Oster will sie noch im Laufe der Woche sprechen. Sie erwartet, dass er dann seine Äußerungen korrigiert.

Die Initiatori­nnen des Frauenforu­ms werfen ihrerseits Bischof Oster vor, Stimmung zu machen. In einem offenen Brief formuliere­n sie: „Von einem habilitier­ten Theologen (...) erwarten wir ein höheres Maß an Genauigkei­t und Differenzi­erung in Argumentat­ion und Aussagen. Die von Ihnen bekannt gewordenen Sätze und Hinweise dienen zumindest nicht der Versöhnung. Sie wirken als Keil, der die Spaltung der Kirche weiter vertieft.“

Auch die frühere Vatikan-botschafte­rin Annette Schavan stellte sich in einem Deutschlan­dfunk-interview auf die Seite der Dogmatikpr­ofessorin. „Johanna Rahner ist eine Theologiep­rofessorin und nicht Mitglied des diplomatis­chen Dienstes. Sie muss klare Worte sagen können.“Die Qualität einer Institutio­n zeige sich auch daran, wie über ein Thema gestritten wird.

Wenn wir diese Diskrimini­erung nicht als solche benennen, wird sich daran nichts ändern.

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Die Tübinger Theologin Johanna Rahner.

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