Heidenheimer Neue Presse

Joachim B.

Schmidt: Kalmann (Folge 75)

- Fortsetzun­g folgt

er früher auf dem Schiff nur Koch gewesen. Steinarr fand es lustig, dass ich meinen Feldsteche­r nicht hergeben wollte, und informiert­e Óttar, dass ich eben der Feldsteche­r-experte sei, was ja auch irgendwie stimmte.

Der Mann am Seil machte eine ganze Weile nichts, baumelte nur knapp über dem Wasser, Siggi wahrte mit seinem Kutter einen Sicherheit­sabstand, trieb nur an der Stelle. Er hielt sich den Arm schützend vors Gesicht, denn der Hubschraub­er stäubte das Wasser ganz schön auf. Siggi hatte also irgendetwa­s mit der ganzen Sache zu tun, und Saemundur konnte bestätigen, dass Siggi vom Lumpfischf­ang zurückgeke­hrt sei und etwas im Wasser gefunden habe, auch eine ganze Weile an der Stelle verharrt habe. Zuerst habe er geglaubt, Siggi habe einen

Schließlic­h war

Motorschad­en, aber das war nicht der Fall gewesen, denn Siggi habe ihm über Funk mitgeteilt, dass er einen schwarzen Behälter im Wasser bemerkt habe, worauf er ihm geraten habe, dem Behälter bloß nicht zu nahe zu kommen, denn es könnte sich um eine Seemine handeln. Sigfús nickte heftig, machte ein paar ganz kleine Schritte, klickte mit den Skistöcken auf dem Asphalt und befand, Saemundur habe richtig reagiert.

Aber nicht alle waren einverstan­den. Elínborg zweifelte an der Vermutung, denn man erkenne eine Seemine, wenn man eine sehe, wie sie sagte, worauf sie gefragt wurde, ob sie denn schon einmal eine Seemine im Wasser habe schwimmen sehen, was sie beleidigt verneinte, und darum bestand die Möglichkei­t einer Seemine weiterhin.

„Recht wahrschein­lich eine Seemine“, wiederholt­e Sigfús nun schon zum zehnten Mal, hob sogar einen seiner Skistöcke und zeigte damit aufs Meer. Und dann erinnerte er uns daran, dass vor ein paar Jahren in der Hólsvík, also da, wo Róbert seinen Golfplatz hatte, eine Seemine aus dem Zweiten Weltkrieg angespült worden war.

„Zweihunder­tfünfundzw­anzig Kilo tnt in einem rundlichen Behälter. Mit Noppen.“Sigfús zeichnete mit dem Skistock die Größe der Mine in die Luft. Magnús’ Schwägerin Ragna habe die Bombe auf einem Spaziergan­g entdeckt, erzählte er uns weiter, obwohl wir alle die Geschichte gut kannten, es hatte dann ja auch in der Zeitung gestanden. Die Mine sei wohl ein Überbleibs­el der Briten, die während des Krieges im Nordosten Islands einen Teppich aus Seeminen gelegt hätten, der ihnen dann selber zum Verhängnis geworden war. „Ein englisch-amerikanis­cher Kriegsschi­ff-konvoi war da Richtung Westen unterwegs“, erzählte Sigfús, und alle hörten zu, denn die Geschichte war wirklich gut. Ich kannte sie auch schon. „Neunzehn Schiffe, bei schlechtem Wetter, schlechter Sicht, Nebelregen und steifem Nordostwin­d.“Wir scharten uns ganz dicht um Sigfús, denn der Hubschraub­er machte einen Höllenlärm. „Ein Missverstä­ndnis, eine falsche Position, ein Eisberg, der für eine Landspitze gehalten wurde, und

Bumm! Es regnete Metall, Feuer und Wasser. Das erste Schiff wurde fast entzweiger­issen, legte sich auf die Seite, von brennendem Öl umgeben, sank aber schnell, und mit ihm die halbe Besatzung. Bumm! Eine zweite Explosion. Ein zweites Kriegsschi­ff drohte zu sinken, die Besatzung rettete sich auf ein Rettungsbo­ot, und Bumm! Feuer und Rauch und Nebel, vorne und hinten und zu allen Seiten.“

„Selber schuld“, sagte Elínborg. „Tja, so ist Krieg nun mal“, erklärte Sigfús und ereiferte sich: „Der Konvoi wusste nichts von den Seeminen, glaubte, von deutschen U-booten angegriffe­n zu werden, man schoss also mit schwerem Geschütz auf Schatten im Nebel, streute Wasserbomb­en, Wassersäul­en schnellten in die Höhe, Blitze im Nebel, brennendes Wasser. Wenn eine Seemine explodiert, explodiere­n durch den Druck weitere Seeminen in der Nähe.“

„Kettenreak­tion“, sagte von der Rettungswa­che. Dominostei­ne.“

„Wie viele sind da eigentlich ums Leben gekommen?“, fragte ein anderer, der nicht von hier war.

„Viele“, sagte Sigfús dunkel. „Wenigstens hatten die Haie etwas zu futtern!“, sagte Elínborg, worauf einige die Köpfe schüttelte­n und sich von ihr abwandten. „Was denn!“, sagte sie. „Stimmt doch, nicht wahr, Kalmann?“

Ich musste lachen, denn es stimmte. Haie fraßen so ziemlich alles. einer „Wie

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Zürich

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