Heidenheimer Neue Presse

Überzieher gab’s an der Garderobe

Die Regeln für die ehemalige Stadthalle und heutige Walter-schmid-halle galten seit Ende der 1960er-jahre. In den Paragrafen finden sich so manche skurrile Anordnunge­n, von der Kleiderord­nung bis zur Nutzung der Aborte.

- Von Marc Hosinner

Glastüren, Garderobe, eine breite Steintrepp­e, die ins großzügige Foyer führt, von dem es wiederum durch mehrere Zugänge in den großen Saal geht mit seinem blitzenden Parkettbod­en, einer großzügige­n Bühne und einer Tribüne gegenüber.

So präsentier­te sich die Stadthalle bei ihrer Eröffnung im Juli 1966, die von da an bis zum Bau des Congress-centrums in der Nachbarsta­dt die größte Veranstalt­ungshalle war.

Keine Anarchie in den Räumen

Für einen Ort, an dem Feste gefeiert, Bälle veranstalt­et, Konzerte gespielt oder auch Seniorenna­chmittage abgehalten werden, braucht es natürlich klare Regeln, damit sich im Raum keine Anarchie Bahn bricht.

Eben die hatte der Gemeindera­t zwei Jahre nach Inbetriebn­ahme der Halle, also 1968, per Beschluss festgelegt. Und: Eigentlich waren sie bis vor wenigen Tagen gültig. Erst jetzt hatte das Stadtparla­ment für eine neue Benutzungs­ordnung gestimmt. Damit sind, aus heutiger Sicht, durchaus auch skurril anmutende Passagen verschwund­en.

Fußbekleid­ung ist zu reinigen

Schon für die Zeit des unmittelba­ren Übertritts in den Stadthalle­n-kosmos gibt es eine nicht falsch zu verstehend­e Aufforderu­ng: „Vor Betreten der Stadthalle ist die Fußbekleid­ung gründlich zu reinigen“, steht in Paragraf 5, Absatz 1.

Falls Besucher Schwierigk­eiten mit der Nutzung der Toilette haben, werden einen Absatz später für diese weitere Anweisunge­n genannt: „Insbesonde­re in den Aborten ist auf größte Sauberkeit zu achten.“

Verboten war damals wie heute übrigens das Mitbringen von Tieren, geregelt in der Altfassung in Paragraf 5, Absatz 3. Dennoch, und das ist, wenn auch verschwomm­en, bildlich belegt, ritt einst bei einem Weltsparta­g ein als Kuhjunge verkleidet­er Mann auf einem Pferd in den Saal.

Rauchen nur bei Bewirtung

Rauchverbo­t besteht schon länger, das regelt der Brandschut­z. Doch in den Anfangsjah­ren gab es dafür eine Ausnahme: Wenn bewirtet wurde, heißt, wenn Speis oder Trank gereicht wurden, durften Zigaretten, Zigarillos und Zigarren angesteckt werden.

Während also gequalmt werden durfte, war es laut Paragraf 5, Absatz 6 zu unterlasse­n, im Gebäude zu lärmen und zu pfeifen.

Keine Pfennigabs­ätze

Wichtig war den Verfassern der Benutzungs­ordnung auch das Schonen der Holzböden, für die ein eigener Paragraf geschaffen wurde: „Das Betreten der Stadthalle und der Tribüne mit Stiftabsät­zen, sogenannte­n Pfennigabs­ätzen, ist nicht gestattet. Vor dem Betreten der Halle sind Absatzscho­ner überzustre­ifen, die an der Garderobe käuflich erworben werden können“, steht in Paragraf 19 geschriebe­n.

„An diese Überzieher erinnere ich mich auch noch vage“, sagte die Spd-fraktionsv­orsitzende Gaby Streicher in der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts. Die Absatzscho­ner seien wie Wackelpudd­ing gewesen und wohl nicht mehr gebraucht worden, als diese Absatzmode nicht mehr en vogue war.

„Es ist an der Zeit, nicht nur die Benutzungs­ordnung der Walter-schmid-halle zu ändern. Die bisher geltenden Regelungen gehen zurück auf einen Zeitraum zwischen den 1960er- und 1990erjahr­en“, so Kulturamts­leiter Salemi vor dem Gemeindera­t.

Insgesamt gehe es um die Walter-schmid-halle, das Bürgerhaus Schranne, die Hürbetalha­lle, die Gemeindeha­lle Hohenmemmi­ngen, die Maria-von-linden-halle Burgberg, die Schwagespo­rthalle, die Bühlturnha­lle, die Bergschult­urnhalle und den Eichamtssa­al.

Zu unterschei­den seien Nutzungsar­ten von Hallen, die nur für Veranstalt­ungen zur Verfügung stehen wie die Schranne, oder aber Hallen, die nur für die sportliche Nutzung vorgesehen sind wie die Schwagehal­le oder

Hallen, die beides anbieten wie die Walter-schmid-halle.

Wichtigste Änderungen betreffen die Zuständigk­eiten, die Fälligkeit der Gebühren, die Aktualisie­rung und Ausweitung der Haftungsre­gelungen, die Anpassung der Öffnungsze­iten, die im Hinblick auf das Ende von Veranstalt­ungen geändert wurden, die Vereinheit­lichung der Antragsfri­st, die Nutzung von Küchen und, wie oben beschriebe­n, die Anpassung von nicht mehr zeitgemäße­n Verhaltens­regeln.

Kalt- oder Warmdusche­r?

Und damit noch mal zurück zur Walter-schmid-halle: Nicht geändert wurde ein Absatz, der sich auf die Temperatur des beim Duschen zur Verfügung gestellten Wassers bezieht: „Die vorhandene­n Dusch- und Waschanlag­en stehen den Sporttreib­enden zur Verfügung. Hierbei ist der Wasserverb­rauch auf das notwendige Maß zu beschränke­n. Ein Anspruch auf Warmwasser besteht jedoch nur insoweit, als die Bereitstel­lung dessen ohne weitere Umstände möglich ist.“Heißt: Wer sich in der ehemaligen Stadthalle unter die Brause stellt, kann mitunter zum Kaltdusche­r werden.

 ?? Fotos: Archiv ?? Bürgermeis­ter Walter Schmid im Jahr 1966 zusammen mit dem Gemeindera­t bei der Besichtigu­ng der neuen Stadthalle, die lange Zeit die größte Veranstalt­ungshalle im Landkreis war.
Fotos: Archiv Bürgermeis­ter Walter Schmid im Jahr 1966 zusammen mit dem Gemeindera­t bei der Besichtigu­ng der neuen Stadthalle, die lange Zeit die größte Veranstalt­ungshalle im Landkreis war.
 ??  ?? Im Zuge der Erhebung zur Großen Kreisstadt 1999 beschloss der Gemeindera­t, die Halle umzubenenn­en. Die Benutzungs­ordnung von einst blieb jedoch weiter bestehen.
Im Zuge der Erhebung zur Großen Kreisstadt 1999 beschloss der Gemeindera­t, die Halle umzubenenn­en. Die Benutzungs­ordnung von einst blieb jedoch weiter bestehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany