Mit Hilfe krummer Dinger
Supermärkte und Discounter gehen bereits mit verschiedenen Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung vor. Doch es ist noch einiges zu tun.
Die größten Müllsünder sind wir: Die privaten Haushalte entsorgen jährlich mehr als sechs Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall, das entspricht mehr als der Hälfte des Nahrungsmittelmülls. Der Handel, also auch die Supermärkte und Discounter, sind laut Studien nur für vier Prozent der weggeworfenen Nahrungsmittel verantwortlich. Aber auch das waren im Jahr 2019 rund 290 000 Tonnen. Die Menge der Produkte, die 2019 nicht mehr verkauft werden konnte, lag dabei bei 418 000 Tonnen. Davon wurden aber 128 000 Tonnen an karitative Einrichtungen gespendet, hat das Johann Heinrich von Thünen-institut ermittelt.
Diese Daten bestätigten, dass im Handel geringe Verluste entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette anfielen, sagt Franz-martin Rausch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH). Sie seien aber kein Grund zur Freude. „Hinter dieser Verlustmenge stecken Abschreibungen in Höhe von fast 2,5 Milliarden Euro. Sowohl dieser Umsatzverlust als auch die umsonst verbrauchten Ressourcen schmerzen.“
Denn bei diesem Thema geht es nicht nur um ein gutes Gewissen, es geht auch um viel Geld. Um die Verluste weiter zu senken, engagieren sich namhafte Lebensmittelhändler im Dialogforum Groß- und Einzelhandel zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Wie der BVLH schreibt, kann sich die Zwischenbilanz sehen lassen: 156 Maßnahmen seien umgesetzt worden, 70 zur Optimierung interner Prozesse, 49 an den Schnittstellen zu Lieferanten und 37 zur Verbesserung der Lebensmittelweitergabe.
Lidl zum Beispiel hat sich das Ziel gesetzt, Lebensmittelverluste bis 2025 um 30 Prozent zu reduzieren. Aldi verweist auf seiner Homepage unter anderem auf reduzierte Produkte kurz vor dem Ablaufdatum. Rewe und Penny verkaufen nach eigenen Angaben im Jahresdurchschnitt rund 98 Prozent ihrer Lebensmittel, der Großteil des Restes geht an Tafel-initiativen.
Aber ist das genug? „Wirklich genug ist es ja nie“, sagt Frank
Waskow, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-westfalen. Er lobt die Zusammenarbeit der meisten Handelsunternehmen mit Tafeln oder anderen karitativen Einrichtungen. Gleichzeitig hat er konkrete Vorschläge, wie der Handel noch mehr erreichen könnte.
„Was mir sehr am Herzen liegt: Der Handel sollte Verbraucher daran gewöhnen, dass Obst und Gemüse Naturprodukte sind“, sagt Waskow. Und zwar nicht dadurch, dass man krumme Karotten und Äpfel mit Schorffleck in extra Tüten packe und günstiger verkaufe. „Ich bin dafür, dass es wieder naturnahe Sortierungen gibt, mit geraden und krummen, langen und kurzen Karotten.“
Krummes Obst und Gemüse komme im Normalfall gar nicht erst in den Handel, weil es vorher aussortiert werde. „Das liegt nur zum Teil an von der EU vorgeschriebenen Handelsklassen. Vielen davon sind wieder abgeschafft worden, der Handel hat die aber für sich als interne Vorgaben behalten“, sagt er.
Frank Waskow ärgert sich auch über die „Schmuddelecken“. Da werde in „einen ollen Karton im Kühlregal lieblos alles reingeschmissen“, was kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehe. Eigentlich sollten diese Waren in einem ansprechenden Regal in der Nähe der Kasse angeboten und aktiv als Beitrag zu Nachhaltigkeit beworben werden, sagt der Experte.
Bei der Aufklärung zum Thema Mindesthaltbarkeitsdatum sieht er sowohl Politik und Institutionen als auch den Handel in der Pflicht. „Gerade junge Leute unter 25 wissen laut Studien nicht so gut darüber Bescheid, dass man Produkte meistens auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum verzehren kann“, sagt Waskow. „Der Handel ist der beste Ort für Aufklärung und Information, weil hier direkt die Kaufentscheidung stattfindet.
Es sollte wieder naturnahe Sortierungen geben. Frank Waskow Verbraucherzentrale NRW