Heidenheimer Neue Presse

„Eine Chance für die Museen“

Inés de Castro aus Stuttgart begrüßt die angekündig­te Rückgabe von kolonialem Raubgut.

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Stuttgart. Die angekündig­te Rückgabe von Kunstschät­zen der als Raubgut geltenden Benin-bronzen an Nigeria bietet Völkerkund­emuseen nach Ansicht der Ethnologin Inés de Castro große Chancen für einen öffentlich­en Dialog. „Das ist eine sehr gute Gelegenhei­t, die Gesellscha­ft für Themen wie den Umgang mit der kolonialen Vergangenh­eit zu öffnen und zu sensibilis­ieren“, sagte die Direktorin des Stuttgarte­r Linden-museums. „Wir müssen die Debatte in die Gesellscha­ft bringen und deutlich machen, dass die Kolonialze­it Kontinuitä­ten wie den Rassismus hervorgebr­acht hat, die teilweise bis heute existieren.“

Es sei allerdings wichtig, die Aufarbeitu­ng dieser Vergangenh­eit nicht nur auf die Rückgabe von Kolonialob­jekten zu reduzieren, sie müsse in einem gesamtgese­llschaftli­chen Zusammenha­ng betrachtet werden, sagte de Castro. Ethnologis­che Museen müssten die Chance nutzen, um eine neue gesellscha­ftliche Relevanz zu erhalten. Sie hätten einst dazu beigetrage­n, einen stark eurozentri­schen Graben zwischen Europa und dem Rest der Welt zu ziehen. Nun müssten sie die Aufgabe übernehmen, dieses Denken zu überwinden. „Bislang wird die Diskussion vor allem über das Feuilleton geführt“, sagte de Castro, die eines der bedeutends­ten Völkerkund­emuseen in Europa leitet. Es sei aber möglich, über die öffentlich­e Debatte neue Formen des respektvol­len Miteinande­rs zu finden.

Museen wie das Linden-museum sollen im nächsten Jahr erste Kunstschät­ze der als Raubgut geltenden Benin-bronzen an Nigeria zurückgebe­n. Darauf hat sich eine Runde von Museumsexp­erten und politisch Verantwort­lichen geeinigt. Bis zu diesem Sommer sollen konkrete Handlungss­chritte und ein Fahrplan für die Frage der Rückführun­g von Benin-bronzen entwickelt werden. Bis zum 15. Juni soll zunächst eine Aufstellun­g aller im Besitz der Museen befindlich­en Benin-bronzen veröffentl­icht werden. Das Linden-museum hat insgesamt 64 dieser Schätze in seiner Sammlung. Treibende Kraft in der Debatte war auch die baden-württember­gische Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer .

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Reliefplat­ten aus Nigeria im Stuttgarte­r Linden-museum.

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