Jurist kritisiert Pauschalverbot
Bundesregierung will noch in dieser Woche Geimpften und Getesteten ihre Grundrechte teilweise zurückgeben.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat für ihren Vorstoß zur teilweisen Rückgabe von Grundrechten an Geimpfte heftigen Gegenwind bekommen. Freiheitseinschränkungen wie die Verwehrung eines Restaurantbesuchs seien weder für Geimpfte noch für Genesene oder Getestete hinzunehmen, sagte FDP-CHEF Christian Lindner.
Der Osnabrücker Juraprofessor Lars Leuschner forderte für Geimpfte ein Aufheben der Pauschalverbote, etwa für Restaurantbesuche oder der Hotelaufenthalte. „Das Verbot, den Innenbereich von Restaurants zu öffnen oder Touristen zu beherbergen, schränkt nicht nur die Grundrechte der Gewerbetreibenden ein, sondern es ist auch ein Eingriff in die Grundrechte der Geimpften“, sagte Leuschner dieser Zeitung.
Der Verordnungsentwurf von Justizministerin Lambrecht zu den Rechten von gegen das Coronavirus Geimpften soll am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, „im Idealfall“würde die Verordnung noch in dieser Woche von Bundestag und Bundesrat beschlossen. In dem Entwurf heißt es, vollständig Geimpfte und Genesene sollten wieder das Recht bekommen, „ohne vorherige Testung zum Beispiel Ladengeschäfte zu betreten, Zoos und botanische Gärten zu besuchen oder die Dienstleistungen von Friseuren oder Fußpflegern in Anspruch zu nehmen“. Beide Gruppen sollen sich auch nicht an Ausgangsbeschränkungen halten müssen.
Lambrecht: „Viel Sprengsatz“
Von der Möglichkeit, wieder ins Restaurant zu gehen oder im Hotel zu übernachten, ist in dem Entwurf nicht die Rede. Lambrecht begründete dies unter anderem damit, dass eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften und Nichtgeimpften in der Gastronomie „viel Sprengsatz in die Gesellschaft bringen würde“. Jura-professor Leuschner betonte, dass die Annahme, die Teilöffnung für Geimpfte könnte bei dem Rest der Bevölkerung Neid auslösen, kein Grund für andauernde Restriktionen sein dürfe.
Ebenso kritisierte Leuschner Lambrechts Standpunkt, dass man aufpassen müsse, dass Geimpfte und Genesenen kein Anrecht auf Eintritt in ein Restaurant oder Schwimmbad geltend machen würden. Zwar könnten Eingangskontrollen zu Schwierigkeiten führen. Diese reichten aber als Grund nicht aus, den Status quo aufrecht zu erhalten. „Wenn etwa ein Gastronom von einer Teilöffnung absieht, weil sich der mit der Eingangskontrolle verbundene Aufwand nicht lohnt, ist das natürlich sein gutes Recht“, erläuterte Leuschner. Dass Geimpfte das Restaurant dann nicht besuchen können, falle dann nicht in die Verantwortung des Staates. Deshalb sei es nicht nötig, Pauschalverbote auszusprechen, um etwa Gastronomen vor den Ansprüchen Geimpfter zu schützen.