Heidenheimer Neue Presse

Karlsruhe erhöht Betriebste­mperatur

Seit das Verfassung­sgericht die Bundesregi­erung zu mehr Klimaschut­z verdonnert hat, überschlag­en sich die Ereignisse. Schon kommende Woche könnte es wegweisend­e Entscheidu­ngen geben.

- Von Igor Steinle

Dass Deutschlan­d mehr CO2 einsparen muss als geplant, war schon vor dem historisch­en Beschluss des Verfassung­sgerichtes klar. Zuvor hatte sich die EU bereits auf ein höheres Klimaziel geeinigt, das auch national eine Verschärfu­ng der Ziele bedeutet. Allerdings wäre das wohl Aufgabe der nächsten Regierung geworden. Der Fingerzeig aus Karlsruhe, mit dem der Bund aus Gründen der Generation­engerechti­gkeit zu mehr Klimaschut­z verdonnert wurde, hat diesen Prozess nun beschleuni­gt. Seit Donnerstag überschlag­en sich die Forderunge­n, Vorschläge und Vorwürfe regelrecht.

So will Umweltmini­sterin Svenja Schulze noch diese Woche ein neues Klimaschut­zgesetz vorlegen, nicht erst im Sommer, wie kurz nach dem Urteil angekündig­t. Dieses solle dann ein neues deutsches Klimaziel für 2030 beinhalten. Die Spd-politikeri­n äußerte sich zudem verärgert über ihren Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), der sich neuerdings als vorderster Klimaschüt­zer präsentier­e.

Sie habe schon im Winter vorgeschla­gen, das Ausbautemp­o bei Wind- und Solaranlag­en zu verdoppeln, sagte Schulze. Die Union, allen voran Altmaier, habe das blockiert. „Seine Nebelkerze­npolitik macht mich sauer, seine Klimakroko­dilstränen kann er sich sparen“, sagte Schulze dem „Spiegel“. „Ich werde einen Vorschlag machen und dann wird man sehen: Wer sind die Bremser und wer geht da mit voran?“

Das wollte die Union so nicht auf sich sitzen lassen und legte am Montag eigene Vorschläge vor. CDU-CHEF Armin Laschet überrascht­e mit der Forderung, Deutschlan­d müsse „deutlich vor Mitte des Jahrhunder­ts“klimaneutr­al werden, nicht erst wie geplant im Jahr 2050. Das Zwischenzi­el bis 2030 müsse deswegen 65

Prozent weniger Emissionen als 1990 lauten, zehn Prozent mehr als bisher geplant, womit man in etwa auf Spd-linie wäre.

Erreicht werden soll dies über einen höheren Co2-preis beim Heizen und im Verkehr. Den will man noch in dieser Legislatur anheben. Als Ausgleich solle dann die nächste Regierung die Eeg-umlage abschaffen sowie die Stromsteue­r senken, wodurch die Bürger über die Stromrechn­ung entlastet würden.

Was den Ausbau der Erneuerbar­en angeht, werden CDU, CSU und die Windkraft jedoch auch nach dem Rüffel aus Karlsruhe wohl keine Freunde mehr. Die Union setzt laut Cdu-fraktionsv­izechef Andreas Jung vor allem auf die Photovolta­ik. Im Rahmen eines „Sonnenpake­tes“solle es mehr Anreize für Solaranlag­en auf Dächern, Parkplätze­n und Freifläche­n geben, sagte Jung.

Noch ehrgeizige­re Töne waren aus München zu vernehmen. So will CSU-CHEF Markus Söder es nicht bei Anreizen belassen, sondern in Bayern eine Solarpflic­ht bei Neubauten einführen. Auch bei der Klimaneutr­alität legte Söder eine Schippe drauf: Schon bis zum Jahr 2040 soll der Freistaat Bayern klimaneutr­al werden und als Vorbild für Deutschlan­d vorangehen.

Damit das auch bundesweit gelingen könne, schlägt der bayerische Ministerpr­äsident vor, den Kohleausst­ieg mit finanziell­en Anreizen zu beschleuni­gen. Laschet lehnt dies mit Blick auf den schwierige­n Strukturwa­ndel im Osten ab. „Wenn man ein Verspreche­n

gemacht hat, sollte man da als Gesetzgebe­r nicht ständig nachlegen“. Im Westen hingegen könne der Ausstieg auch früher als 2038 gelingen.

Dialog mit 40 Staaten

Wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) es mit all dem hält, ist noch unklar. Gelegenhei­t sich zu äußern hat sie spätestens am Donnerstag, wenn sie auf dem virtuellen „Petersberg­er Klimadialo­g“zu Regierungs­vertretern aus rund 40 Staaten spricht.

Laut Informatio­nen der Deutschen Presseagen­tur soll Merkel im Cdu-präsidium angekündig­t haben, noch in dieser Woche Gespräche mit Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) sowie den zuständige­n Fachminist­ern zu führen. Sollte es eine schnelle Einigung geben, könnte diese schon kommende Woche im Kabinett beschlosse­n werden.

Die Union bastelt an einem „Sonnenpake­t“.

 ??  ?? Ein Arbeiter installier­t auf einem Dach eine Solaranlag­e. Die Regierung will den Ausbau der Solarenerg­ie beschleuni­gen.
Ein Arbeiter installier­t auf einem Dach eine Solaranlag­e. Die Regierung will den Ausbau der Solarenerg­ie beschleuni­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany