Heidenheimer Neue Presse

Streit um Tariflohn spaltet die Koalition

Gesundheit­sminister Spahn erleidet in seinen Reformbemü­hungen einen Rückschlag.

- Hajo Zenker

Der Versuch, in der Großen Koalition gemeinsam die Pflege zu reformiere­n, ist gescheiter­t. Die dafür im Sommer 2018 von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) und Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) gestartete Konzertier­te Aktion Pflege ist jetzt an einem Streit zwischen Heil und Spahn zerbrochen.

Hintergrun­d ist, dass der Arbeitsmin­ister bundesweit Tariflöhne durchsetze­n möchte. Ursprüngli­ch sollte das dadurch geschehen, dass ein von der Gewerkscha­ft Verdi mit der neuen Bundesvere­inigung der Arbeitgebe­r in der Pflegebran­che ausgehande­lter Tarifvertr­ag von Heil auf die gesamte Branche ausgedehnt wird. Die etablierte­n Arbeitgebe­rverbände hatten zuvor immer einen Tarifvertr­ag mit Verdi abgelehnt. Doch der neue Verband fand kaum Unterstütz­ung. Die Ablehnung durch die kirchliche­n Wohlfahrts­verbände Caritas und Diakonie gab dem Tarifvertr­ag den Rest. Für den Minister ein „bitterer Rückschlag“- laut Heil wird nur jede zweite Pflegekraf­t

nach Tarif bezahlt. Weshalb er nun ein „Pflege-tariftreue-gesetz“angekündig­t hat.

Zuzahlung für Heimbewohn­er

Sehr zum Unwillen von Spahn. Denn der Gesundheit­sminister arbeitet bereits an einem Gesetzentw­urf zur Pflegerefo­rm. In dem geht es einerseits um mehr Tarif, aber anderersei­ts auch um geringere Kosten für Pflegebedü­rftige. So soll es ab 2022 Versorgung­sverträge nur noch mit Pflegeeinr­ichtungen geben, die nach Tarifvertr­ägen oder tarifähnli­ch bezahlen. Wenn Pflegekräf­te mehr verdienen, hat das auch eine Kehrseite: Heimbewohn­er müssen immer mehr zuzahlen – für Pflege, Unterkunft, Verpflegun­g, Investitio­ns- und Ausbildung­skosten.

Im Januar waren das laut dem Verband der Ersatzkass­en im Schnitt pro Platz und Monat 2068 Euro. Zwei Jahre zuvor hatte der Wert 1830 Euro betragen. Auf die reine Pflege entfallen aktuell 831 Euro.

Spahn schwebt vor, dass der Eigenantei­l für die Pflege nach mehr als einem Jahr im Heim um 25 Prozent abgesenkt wird, nach zwei Jahren um die Hälfte und nach drei Jahren um 75 Prozent. Das jedoch ginge gewaltig ins Geld. Spahn kalkuliert mit einem jährlichen Steuerzusc­huss für die Pflegevers­icherung von fünf Milliarden Euro.

Das hatte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) aber bisher abgelehnt. Nun jedoch stellt sich Scholz, Kanzlerkan­didat der SPD, an die Seite Heils, damit „Tarifvertr­äge in der Altenpfleg­e Realität werden“. Wie das genau aussehen soll, werde man „in den nächsten Tagen“vorstellen.

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