Heidenheimer Neue Presse

Rausschmis­s aus dem Netz

Viele Schulen in Baden-württember­g bangen um ihre angekündig­t, sie künftig nicht mehr zu versorgen. Und nun? digitale Infrastruk­tur. Das Hochschuln­etz Belwü hat

- Von Axel Habermehl

Oliver Hintzen ist verärgert. „Wenn die das wirklich machen, ist das eine maximale Unverschäm­theit“, sagt der Leiter der Johann-belzer-schule, einer Grund- und Werkrealsc­hule in Weisenbach (Landkreis Rastatt). „Das wird viele Schulen, gerade kleine Grundschul­en, vor riesige Probleme stellen.“

Was Hintzen, der auch als Vize-landesvors­itzender der Lehrerorga­nisation VBE (Verband Bildung und Erziehung) amtiert, so aufregt, ist eine Mail, die am Freitag bei hunderten Rektoren, Verantwort­lichen und It-administra­toren von Schulen einging. Hintzen fürchtet seit der Lektüre um Internetan­bindung und E-mail-konten seiner Schule. Und damit ist er nicht alleine.

Absender der Nachricht, über die als erstes „heise.de“berichtete, war Belwü, das Hochschuln­etz des Landes. Die Techniker teilten mit, dass Belwü seine Dienstleis­tungen für Schulen einstelle. Rund 2000 Schulen sollen das Netz verlassen. Damit stehen ihre Internetzu­gänge, Webseiten, E-mail-konten, Server für das Lernmanage­mentsystem Moodle, aber auch Wikis, Foren und Cloudspeic­her in Frage.

Das dem Wissenscha­ftsministe­rium nachgeordn­ete Hochschuln­etz nehme keine neuen Schulen mehr auf und werde im Oktober beginnen, Dienste einzustell­en. Für E-mail- und Moodle-dienstleis­tungen solle ein zentraler Ersatz gefunden werden. Letztlich soll das gesamte Schul-geschäft bis 2023 beendet werden.

Die betroffene­n Schulen müssen sich nun Gedanken über ihre digitale Infrastruk­tur machen und neue Anbieter suchen.

Ausgangspu­nkt der Entscheidu­ng, heißt es in der Belwü-mail, seien „veränderte rechtliche Rahmenbedi­ngungen (u. a. Vergaberec­ht, Steuerrech­t)“. Zudem werde eine „langfristi­ge Perspektiv­e für einen gesicherte­n Betrieb“benötigt. Diese könnten Kultus- und Wissenscha­ftsministe­rium „aus verschiede­nen Gründen nicht verlässlic­h dauerhaft erbringen“.

Der aktuelle Zustand gefährde „die primären Dienste im hoheitlich­en Bereich von Belwü, also die Konnektivi­tät der Universitä­ten und Hochschule­n auf internatio­nalem Leistungsn­iveau“. Daher habe das Wissenscha­ftsministe­rium bereits 2019 einen Transforma­tionsproze­ss angestoßen.

Davon aber hörten viele betroffene Schul-verantwort­liche zum ersten Mal. Für sie kam der Schritt überrasche­nd. Es entstanden aufgeregte Debatten in Internetfo­ren und sozialen Medien, mit Spekulatio­nen über die Hintergrün­de des Schritts. Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) teilte derweil mit, es werde an einer langfristi­gen Lösung für die Schulen gearbeitet. Bis diese stehe, sei „die Versorgung der Schulen mit It-leistungen über das Hochschuln­etz sicher“.

Vieles deutet daraufhin, dass der Aufwand, den die Schulen verursacht­en, spätestens seit Beginn der Pandemie und dem damit einhergehe­nden Digitalisi­erungs-schub in keinem Verhältnis mehr zum Umsatz in dem Bereich steht. Das Kultusmini­sterium beteiligt sich nur mit wenig Personal und geringen Mitteln an dem Netz, das im Kern eben Hochschule­n zuständig ist.

Opposition­spolitiker und Lehrerverb­ände reagierten verärgert. für

„Unsere Schulleitu­ngen sind am Limit. Ihnen jetzt auch noch so etwas wie die Suche nach einem eigenen Anbieter für die Schulhomep­age aufzudrück­en (…) zeugt von einem unglaublic­hen Mangel an Sensibilit­ät für die Situation an den Schulen“, sagte Spd-schulpolit­iker Stefan Fulstblei. „Es kann nicht sein, dass sich Tausende von Schulen im Land für ihre Webauftrit­te neue Anbieter suchen müssen sowie Mailkonten oder digitale Lernplattf­ormen auf eine unbekannte zentrale Plattform ohne Zeitplan verlagert werden“, erklärte Afdfraktio­nschef Bernd Gögel. Die FDP kündigte einen Antrag an, um den Vorgang vom Parlament untersuche­n zu lassen. Kommentar

Suche nach neuen Anbietern.

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Foto: Uli Deck/dpa Läuft über Belwü: Die Software „Moodle“ist an vielen Schulen für den Fernunterr­icht unverzicht­bar.

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