Heidenheimer Neue Presse

„Hierarchie wird mehr hinterfrag­t“

Am Düsseldorf­er Schauspiel­haus, der Berliner Volksbühne und in anderen Häusern gibt es Debatten über Rassismus und #Metoo-vorwürfe. Ein Gespräch mit Marc Grandmonta­gne, Direktor des Deutschen Bühnenvere­ins.

- Julia Kilian

Der Deutsche Bühnenvere­in sieht einen Bewusstsei­nswandel in der Theaterlan­dschaft. In der Öffentlich­keit ist zuletzt mehrfach über Diskrimini­erung an Theatern diskutiert worden. „Ich habe den Eindruck: Da kommt eine Menge in Gang“, sagte der Geschäftsf­ührende Direktor Marc Grandmonta­gne der dpa. Das habe sicherlich auch mit einem Generation­enwechsel zu tun.

Es komme eine neue Generation von Künstlern in die Häuser, sagte Grandmonta­gne. Sie hätten ein anderes Hinterfrag­en von Strukturen und Hierarchie­n, vielleicht eine größere Bereitscha­ft, ins Risiko zu gehen. Zudem sei eine Sensibilis­ierung zu verzeichne­n, etwa im Hinblick auf Diversität, Rassismus, Genderfrag­en.

Grandmonta­gne sieht eine Verschiebu­ng an Theatern und hofft auf einen offeneren Umgang. „Was uns immer wieder begegnet, ist die Äußerung von Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die sagen, es gebe eine große Angst, solche Dinge anzusprech­en.“Es gebe auch das große Wort vom „Klima der Angst“. Er habe den Eindruck, dass es nun eine größere Bereitscha­ft gebe, Unmut und Kritik auch zu äußern.

Zuletzt ist häufiger über Strukturen an Theatern, befristete Verträge und die Macht von Intendante­n gesprochen worden. Seit Beginn der #Metoo-bewegung, die sexuelle Gewalt und Machtmissb­rauch thematisie­rt hat, gibt es in Deutschlan­d die Vertrauens­stelle Themis. Dort können sich Menschen melden, die sexuelle Belästigun­g etwa beim Film oder Theater erleben.

Gemeinsam sei fast allen unterschie­dlichen Fällen, die in den vergangene­n Jahren in Berlin öffentlich geworden sind, das „System Stadttheat­er“, sagte der Grünen-politiker Daniel Wesener dem „Tagesspieg­el“. Das Problem sei eine Betriebsst­ruktur, in der große individuel­le Machtfülle, persönlich­e Abhängigke­itsverhält­nisse und ein extremer Leistungsd­ruck zusammenkä­men.

Beim Bühnenvere­in melden sich nach Angaben Grandmonta­gnes immer mal wieder Betroffene, obwohl sie als Arbeitgebe­rverband nicht die erste Adresse seien. „Da begreifen wir uns natürlich als einen Teil.“Auch im Bühnenvere­in gebe es Debatten, etwa zur Frage, wer bisher Teil der Diskussion sei und wer nicht.

Die meisten Diskussion­en arbeiteten sich derzeit an Intendanti­nnen und Intendante­n ab , sagte Grandmonta­gne. „Aber es gibt natürlich noch mehrere Ebenen im Theater. Es gibt noch Geschäftsf­ührer, Verwaltung­sleiter und – ganz wichtig auch für uns als Bühnenvere­in – es gibt natürlich die Politik und die Rechtsträg­er.“Da könne man schauen, wie man Vorschläge zusammen ausarbeite.

„Aus den Diskussion­en lernen“

Die Themen beschäftig­ten ja nicht exklusiv Theater, sondern seien gesamtgese­llschaftli­che Themen, sagte Grandmonta­gne. „Wir kriegen es ja nur gelöst, wenn jeder Einzelne und jede Einzelne auch eine Rolle spielt.“Vom Pförtner über künstleris­che Mitarbeite­rinnen bis hin zu Aufsichtsr­äten und Kommunalpo­litik.

„Denn viele Dinge, die man gesellscha­ftspolitis­ch gerne ändern würde, sowas wie Familienfr­eundlichke­it, das kriegen sie niemals alleine in einem Theater durch“, sagte Grandmonta­gne. „Das kostet Geld, das kostet Kapazitäte­n. Es braucht auch einen inneren Kulturwand­el.“Da brauche man eine Bewegung – „und ich glaube, die kommt in Gang an vielen Fronten“.

„Ich hoffe, dass man aus den Dingen, die da jetzt passieren, lernt. Dass wir an jedem Haus, an jedem Theater in eine Kultur des Dialogs reinkommen“, sagte Grandmonta­gne. „Dass, wenn es Probleme gibt im gegenseiti­gen Umgang, auch die Bereitscha­ft besteht von Seiten der der Leitung, diese auch anzusprech­en, anzugehen und sich dabei natürlich nicht selber auszuspare­n.“

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Hier ist nach mehreren #Metoo-vorwürfen der Intendant zurückgetr­eten: die Berliner Volksbühne.
Foto: C. Gollhardt „Es braucht inneren Kulturwand­el“: Marc Grandmonta­gne. Hier ist nach mehreren #Metoo-vorwürfen der Intendant zurückgetr­eten: die Berliner Volksbühne.
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