Operation Rückzug voll in Gang
Auftrag erfüllt, Schlüssel übergeben: Die deutschen Soldaten geben jetzt Gas bei der Heimkehr aus Afghanistan. Ein paar andere Fragen sind allerdings noch offen.
Der Countdown läuft – in Afghanistan stehen alle Signale auf Abzug. Während die Afghanen das Ende der internationalen Mission mit gemischten Gefühlen betrachten, ist die Anspannung in Deutschland aus vielen Gründen groß.
Operation Rückzug Vorbereitet wird die Operation Rückzug der Bundeswehr seit Monaten. Jetzt aber wird es ernst: „Unser Auftrag in Afghanistan ist beendet“, teilte das Verteidigungsministerium Ende vergangene Woche mit. Die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte wurde eingestellt. Mission erfüllt, hieß es. Symbolisch übergab die Bundeswehr im nordafghanischen Kundus einen überdimensionalen Schlüssel für den bislang von ihr genutzten Teil des Camps Pamir an die Afghanen. Seitdem hat die Bundeswehr am Hindukusch nur noch eines im Sinn: Die „Männer und Frauen zügig, abgestimmt und sicher aus Afghanistan zurückzubekommen“, wie es Ressortchefin Annegret Kramp-karrenbauer (CDU) formulierte.
Etwas über 1000 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind derzeit noch vor Ort. Um alle unbeschadet nach Hause zu bringen, wird vorübergehend sogar aufgestockt. Auch die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) soll erstmals seit der skandalbedingten Zwangspause wieder eingebunden werden.
Abgesehen von der Sicherheitsfrage ist auch die Logistik eine Mammutaufgabe: Transporthubschrauber, Panzer, Einsatzfahrzeuge, Kran- und Tankwagen sowie anderes wertvolle und sperrige Gerät müssen nach Deutschland verfrachtet werden. Insgesamt rund 800 Containerladungen. Und das in einem Land, in dem jede Bewegung auf ungeschütztem Gelände schwierig ist. Wie schwierig, belegte der Besuch
von Außenminister Heiko Maas (SPD) vergangene Woche: Einfliegen konnte er nur in einem gegen Raketenangriffe geschützten A400M. Und für den Weg vom Flughafen in die schwer bewachte „Grüne Zone“Kabuls nahm er statt gepanzertem Fahrzeug lieber einen amerikanischen „Black Hawk“-hubschrauber.
Afghanische Ortskräfte Deutschland will nicht nur seine eigenen Soldaten heil nach Hause bringen, sondern sich auch um die rund 300 afghanischen Ortskräfte kümmern, die zuletzt als Dolmetscher, Fahrer oder Putzkräfte bei der Bundeswehr unter Vertrag waren – und denen wegen der Zusammenarbeit mit dem „Feind“Vergeltung droht. „Von den gegenwärtig noch 301 afghanischen Ortskräften haben aktuell 41 Ortskräfte eine individuelle Gefährdung angezeigt“, heißt es in einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken-abgeordneten Heike Hänsel. Diese forderte die Bundesregierung auf, „unbürokratisch, ohne langwierige Einzelnachweise der Gefährdungslage“den Ortskräften die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen.
Kramp-karrenbauer sicherte grundsätzlich bereits Hilfe zu und betonte die „tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland“, die Menschen „nicht schutzlos zurückzulassen.“Am Ende wird es allerdings darauf ankommen, wie rund und unbürokratisch die notwendige Zusammenarbeit der Behörden läuft. Geprüft werden muss zum Beispiel das Ausmaß der Gefährdung und die Frage, welche Familienmitglieder mitkommen dürfen. Derzeit laufen die Gespräche.
Bund will zivile Hilfe aufrechterhalten.
Ende einer Polizeimission Der letzte deutsche Polizist hat Afghanistan in der vergangenen Woche verlassen. Zahlenmäßig hat die Polizei-mission nie die Dimensionen des Bundeswehr-einsatzes erreicht, zuletzt waren noch rund zwei Dutzend Beamte vor Ort. Ihr Einsatz sollte aber auch symbolisch für den Aufbau des Zivilstaates Afghanistan stehen. Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sich insgesamt beteiligt haben, lässt sich auch nach Angaben des letzten Kommandeurs, Peter Jördening, nicht genau sagen. In seinem Abschieds-rundschreiben,
aus dem die Experten-website „augengeradeaus. net“zitiert, räumte er außerdem ein, dass neben „gewichtigen Gründen“für die Beendigung des Einsatzes vieles auch für eine Fortsetzung gesprochen hätte. Die deutschen Beamten waren vor allem an der Aus- und Weiterbildung afghanischer Polizeikräfte, beim Aufbau von Trainingszentren sowie der nationalen Polizeiakademie beteiligt.
Zukunft der Entwicklungshilfe „Wir dürfen die Menschen in Afghanistan nicht im Stich lassen“, fordert Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Dass die Unterstützung trotz des Abzugs der internationalen Streitkräfte weitergehen werde, versicherte vor wenigen Tagen auch Außenminister Maas vor Ort. Deutschland bleibe „politisch und mit ziviler Hilfe engagiert“. Konkret soll das bedeuten: Begleitung der Friedensverhandlungen sowie 430 Millionen Euro pro Jahr für Wiederaufbau und Entwicklungshilfe, die allerdings an Bedingungen geknüpft werden. Das Konzept lautet, stärker als bisher mit Nicht-regierungsorganisationen vor Ort zusammenarbeiten. Doch wie sehr und wie lange die Entwicklungshilfe weitergeht, wird auch davon abhängen, ob die Sicherheitslage die Arbeit zulässt.