Lieber Ginkgo,
wusstest Du eigentlich, dass Du ein ziemlicher Chauvinist bist? Schließlich werden in Europa vornehmlich männliche Exemplare Deiner Art angepflanzt – weibliche Ginkgo-bäume sucht man meist vergeblich. Der Us-amerikanische Gärtner Thomas Leo Ogren hat für dieses Phantomen sogar einen völlig neuen Begriff geschaffen: „botanical sexism“, zu Deutsch „botanischer Sexismus“.
Bedeutet das, weibliche Pflanzen müssen sich genau wie ihre menschlichen Pendants mit ungleichen Löhnen, Nachpfeifen und dergleichen herumschlagen? Nun, nicht ganz. 2015 ging Ogren im kalifornischen Sacramento spazieren, schaute sich die dortigen Bäume an und stellte fest: Das sind ja alles Männer!
In der Natur ist es nämlich so: Bäume können männlich, weiblich oder beides sein. Männliche Blüten sorgen für die Bestäubung, weibliche wandeln sich in Früchte um. In den 1940er-jahren empfahl das Us-landwirtschaftsministerium, in Städten vor allem männliche Bäume zu pflanzen, weil die weniger Müll (also Samen und Früchte) machten – einfacher für die Straßenreinigung.
Das Problem: Durch die ungleich höhere Menge an männlichen Bäumen entstehen viel mehr Pollen – was dazu führte, dass Amerikaner heute deutlich stärker unter Allergien und Heuschnupfen leiden als früher. Wie bei uns Menschen zeigt sich also einmal mehr, dass Sexismus nicht nur einfach sinnlos ist. Am Ende schädigt er sogar diejenigen, die davon scheinbar zunächst profitieren.
Was uns zurück zu Dir bringt, lieber Ginkgo. Schließlich haben Vertreter Deiner Art unter anderem im Brenzpark oder vor der Klosterkirche in Königsbronn ihre Wurzeln geschlagen. Dass es kaum weibliche Ginkgobäume gibt, liegt daran, dass ihre Früchte gelinde gesagt nach ranziger Butter müffeln.
Ein ausreichender Grund für eine Prise botanischen Sexismus? Vielleicht. Zum Glück ist die Geschlechterverteilung unter europäischen Bäumen jedoch deutlich diverser als in den USA. Du, lieber Ginkgo, bist also gewissermaßen der letzte pflanzliche Chauvi, den es hierzulande zu besiegen gilt.
Aber Du liest das ja eh