Schrebergarten gesucht
Den Verein Gartenfreunde Giengen erreichen viele Anfragen nach einem Fleckchen Grün. Auch bei der Stadt kann man lange auf einen Garten warten.
Seit über einem Jahr können wegen Corona viele Freizeitbeschäftigungen wie Verreisen, Kino- und Restaurantbesuche nur eingeschränkt oder gar nicht ausgeübt werden. In Zeiten von Homeoffice rücken deshalb Haus, Wohnung und Garten in den Fokus. Offenbar haben die Menschen in der Pandemie ihren grünen Daumen entdeckt: Laut Industrieverband Garten ist der deutsche Gartenmarkt im Jahr 2020 um neun Prozent gewachsen und hat einen Rekordumsatz von 20,7 Milliarden Euro erzielt. Wohl dem, der einen eigenen Garten hat. Und wenn nicht? Dann lautet das Zauberwort „Schrebergarten“. Gute Anlaufstellen können Kommunen sein, die meist Gartenflächen besitzen und verpachten.
Wenig Glück bei der Stadt
Bei der Stadt Giengen haben Suchende jedoch in der Regel Pech. In städtischem Besitz befinden sich momentan lediglich Schrebergärten beziehungsweise Krautbeete im Bereich oberhalb der Memminger Wanne. Laut Bernd Kocian, Leiter des Hauptamtes im Giengener Rathaus, sind diese allesamt vergeben. „Wir haben eine Warteliste mit zirka 15 bis 20 Personen, die allerdings aufgrund des ganz geringen Wechsels kaum zum Zuge kommen können.“Durch die Pandemie hätten sich jedoch keine nennenswerten Veränderungen auf dieser Liste ergeben.
Anders sieht es bei den Gartenfreunden Giengen aus, die sehr wohl einen Corona-effekt spüren. „Die Nachfrage nach Schrebergärten wächst“, sagt Eugen Brilz, der seit Januar 2020 Vorsitzender des Vereins ist. Mittlerweile gehen bei ihm täglich ein bis zwei Anfragen von Leuten ein, die eine Parzelle in der Kleingartenanlage Rotäcker haben möchten. Manche werden auch persönlich in der Anlage vorstellig, um sich zu erkundigen. Brilz hat die Interessenten nicht gezählt, aber er schätzt, dass es bereits weit über 100 waren. „Meine Frau kommt sich schon vor wie eine Sekretärin“, so Brilz lachend, der beruflich unter der Woche viel unterwegs ist.
Alle 36 Parzellen in Privatbesitz
Auf Anfragen per E-mail antwortet er mit einer vorgefertigten Nachricht, da es zu viel Zeit kosten würde, auf jedes Schreiben einzeln einzugehen. Egal ob am Telefon oder auf elektronischem Wege: Der Vorsitzende ist damit beschäftigt, Aufklärungsarbeit zu leisten. Zunächst muss man wissen, dass derzeit keine der insgesamt 36 Parzellen frei ist. „Viele denken, dass die Kleingärten dem Verein gehören und an Mitglieder verpachtet werden. Dem ist nicht so. Diese sind Eigentum von Mitgliedern.“
Das heißt, sie kümmern sich selbst um einen Verkauf. Laut Brilz wechselten im vergangenen Jahr drei Parzellen den Besitzer. Doch um eine Parzelle erwerben zu können, muss man Mitglied bei den Gartenfreunden sein. Wer in den Verein aufgenommen wird, entscheidet die Vereinsführung. Der Vorsitzende sieht es gern, wenn Familien mit Kindern den Zuschlag bekommen. „Schließlich sollen junge Generationen an die Gartenarbeit herangeführt werden.“In jedem Fall sollten es Leute sein, die sich keine falschen Vorstellungen machen.
Schrebergarten ist viel Arbeit
„Viele sehen in einem Schrebergarten nur einen Urlaubsort. Die wenigsten ahnen, dass er auch viel Arbeit bedeutet.“Auf der Kleingartenanlage müssen darüber hinaus gemeinschaftliche Tätigkeiten erledigt werden, zum Beispiel Rasenpflege und Streicharbeiten. Gerade im Frühjahr und Herbst, wenn viel gemacht werden muss, hatten Pflanzen- und Baumärkte sowie Deponien pandemiebedingt geschlossen. „Das war ein Problem“, so Eugen Brilz, dem ebenfalls eine Parzelle gehört. Seit Corona verbringt er mehr Zeit in der Kleingartenanlage. Die meisten seiner Nachbarn kommen ebenfalls öfters. Darunter das Mitglied mit der längsten Vereinszugehörigkeit, Heinz Richter. „Meine Frau und ich sind dankbar, hier sein zu können. Frische Luft ist gesund“, so Richter.
Angebot knapp
Heute sei es schwer, in der Umgebung einen Schrebergarten zu finden, weiß Brilz. Vermutlich auch deshalb, weil das Angebot sinke. Der Vorsitzende denkt dabei an die Schrebergärten in der Südstadt, die im Zuge der Bauarbeiten an der A 7 beziehungsweise B 492 weichen mussten. „Wenn ich heute meine Parzelle zum Verkauf anbieten würde, könnte ich einen hohen Preis verlangen und er würde bezahlt werden.“Dennoch möchte er seinen Garten nicht hergeben. „Er ist eine zweite Heimat geworden.“