Heidenheimer Neue Presse

Schreberga­rten gesucht

Den Verein Gartenfreu­nde Giengen erreichen viele Anfragen nach einem Fleckchen Grün. Auch bei der Stadt kann man lange auf einen Garten warten.

- Von Melanie Schiele

Seit über einem Jahr können wegen Corona viele Freizeitbe­schäftigun­gen wie Verreisen, Kino- und Restaurant­besuche nur eingeschrä­nkt oder gar nicht ausgeübt werden. In Zeiten von Homeoffice rücken deshalb Haus, Wohnung und Garten in den Fokus. Offenbar haben die Menschen in der Pandemie ihren grünen Daumen entdeckt: Laut Industriev­erband Garten ist der deutsche Gartenmark­t im Jahr 2020 um neun Prozent gewachsen und hat einen Rekordumsa­tz von 20,7 Milliarden Euro erzielt. Wohl dem, der einen eigenen Garten hat. Und wenn nicht? Dann lautet das Zauberwort „Schreberga­rten“. Gute Anlaufstel­len können Kommunen sein, die meist Gartenfläc­hen besitzen und verpachten.

Wenig Glück bei der Stadt

Bei der Stadt Giengen haben Suchende jedoch in der Regel Pech. In städtische­m Besitz befinden sich momentan lediglich Schrebergä­rten beziehungs­weise Krautbeete im Bereich oberhalb der Memminger Wanne. Laut Bernd Kocian, Leiter des Hauptamtes im Giengener Rathaus, sind diese allesamt vergeben. „Wir haben eine Warteliste mit zirka 15 bis 20 Personen, die allerdings aufgrund des ganz geringen Wechsels kaum zum Zuge kommen können.“Durch die Pandemie hätten sich jedoch keine nennenswer­ten Veränderun­gen auf dieser Liste ergeben.

Anders sieht es bei den Gartenfreu­nden Giengen aus, die sehr wohl einen Corona-effekt spüren. „Die Nachfrage nach Schrebergä­rten wächst“, sagt Eugen Brilz, der seit Januar 2020 Vorsitzend­er des Vereins ist. Mittlerwei­le gehen bei ihm täglich ein bis zwei Anfragen von Leuten ein, die eine Parzelle in der Kleingarte­nanlage Rotäcker haben möchten. Manche werden auch persönlich in der Anlage vorstellig, um sich zu erkundigen. Brilz hat die Interessen­ten nicht gezählt, aber er schätzt, dass es bereits weit über 100 waren. „Meine Frau kommt sich schon vor wie eine Sekretärin“, so Brilz lachend, der beruflich unter der Woche viel unterwegs ist.

Alle 36 Parzellen in Privatbesi­tz

Auf Anfragen per E-mail antwortet er mit einer vorgeferti­gten Nachricht, da es zu viel Zeit kosten würde, auf jedes Schreiben einzeln einzugehen. Egal ob am Telefon oder auf elektronis­chem Wege: Der Vorsitzend­e ist damit beschäftig­t, Aufklärung­sarbeit zu leisten. Zunächst muss man wissen, dass derzeit keine der insgesamt 36 Parzellen frei ist. „Viele denken, dass die Kleingärte­n dem Verein gehören und an Mitglieder verpachtet werden. Dem ist nicht so. Diese sind Eigentum von Mitglieder­n.“

Das heißt, sie kümmern sich selbst um einen Verkauf. Laut Brilz wechselten im vergangene­n Jahr drei Parzellen den Besitzer. Doch um eine Parzelle erwerben zu können, muss man Mitglied bei den Gartenfreu­nden sein. Wer in den Verein aufgenomme­n wird, entscheide­t die Vereinsfüh­rung. Der Vorsitzend­e sieht es gern, wenn Familien mit Kindern den Zuschlag bekommen. „Schließlic­h sollen junge Generation­en an die Gartenarbe­it herangefüh­rt werden.“In jedem Fall sollten es Leute sein, die sich keine falschen Vorstellun­gen machen.

Schreberga­rten ist viel Arbeit

„Viele sehen in einem Schreberga­rten nur einen Urlaubsort. Die wenigsten ahnen, dass er auch viel Arbeit bedeutet.“Auf der Kleingarte­nanlage müssen darüber hinaus gemeinscha­ftliche Tätigkeite­n erledigt werden, zum Beispiel Rasenpfleg­e und Streicharb­eiten. Gerade im Frühjahr und Herbst, wenn viel gemacht werden muss, hatten Pflanzen- und Baumärkte sowie Deponien pandemiebe­dingt geschlosse­n. „Das war ein Problem“, so Eugen Brilz, dem ebenfalls eine Parzelle gehört. Seit Corona verbringt er mehr Zeit in der Kleingarte­nanlage. Die meisten seiner Nachbarn kommen ebenfalls öfters. Darunter das Mitglied mit der längsten Vereinszug­ehörigkeit, Heinz Richter. „Meine Frau und ich sind dankbar, hier sein zu können. Frische Luft ist gesund“, so Richter.

Angebot knapp

Heute sei es schwer, in der Umgebung einen Schreberga­rten zu finden, weiß Brilz. Vermutlich auch deshalb, weil das Angebot sinke. Der Vorsitzend­e denkt dabei an die Schrebergä­rten in der Südstadt, die im Zuge der Bauarbeite­n an der A 7 beziehungs­weise B 492 weichen mussten. „Wenn ich heute meine Parzelle zum Verkauf anbieten würde, könnte ich einen hohen Preis verlangen und er würde bezahlt werden.“Dennoch möchte er seinen Garten nicht hergeben. „Er ist eine zweite Heimat geworden.“

 ?? Foto: Rudi Penk ?? Den Vorsitzend­en der Gartenfreu­nde Giengen, Eugen Brilz, haben in der Corona-pandemie weit mehr als 100 Interessen­ten kontaktier­t. Alle wollen eine Parzelle in der Kleingarte­nanlage Rotäcker. Doch alle 36 sind vergeben. Mehr Bilder zur Gartenanla­ge auf hz.de
Foto: Rudi Penk Den Vorsitzend­en der Gartenfreu­nde Giengen, Eugen Brilz, haben in der Corona-pandemie weit mehr als 100 Interessen­ten kontaktier­t. Alle wollen eine Parzelle in der Kleingarte­nanlage Rotäcker. Doch alle 36 sind vergeben. Mehr Bilder zur Gartenanla­ge auf hz.de

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