Heidenheimer Neue Presse

Joachim B. Schmidt: Kalmann (Folge 80)

- Fortsetzun­g folgt © Diogenes Verlag Zürich

Bestimmt war Nadja mit Putzen beschäftig­t.

„Nadja!“, rief ich. Der Lärm war nun ziemlich laut. Der Hubschraub­er landete wohl direkt vor dem Hotel. Das ganze Haus begann zu zittern. „Nadja!“Ich brüllte.

Eine Tür ging auf, und ein Kopf erschien im Korridor, dunkles Haar, schlankes Gesicht, fragender Blick. Ich kannte die Visage. Sie gehörte dem Touristen, der in Húsavík an meinem Tisch gesessen hatte! Ob er mich erkannte, wusste ich hingegen nicht. Schließlic­h hatte ich jetzt meinen Cowboyhut auf, und auf dem Korridor war es recht dunkel.

„What is happening?“, fragte er, aber ich hatte Wichtigere­s zu tun, als ihn über die Lage in Raufarhöfn zu informiere­n.

„Hast du Nadja gesehen?“„What?“„Nadja. Beautiful woman. Wo?“Der Mann war schwer von Begriff. Also versuchte ich es noch mal. Diesmal lauter.

„Nadja. Lady! Where, where, where!“

Ich vermutete, dass er mich jetzt endlich erkannte, denn er schaute mich irgendwie völlig ungläubig an.

Die Fenster zitterten. Der junge Mann machte seinen Mund wieder zu, drehte sich um und verschwand im Zimmer. Ich hörte, wie er sich mit einer Frau unterhielt. Ich warf einen Blick ins Zimmer, um sicherzuge­hen, dass sich Nadja nicht bei ihm befand. Sie war aber nicht im Zimmer, nur die Freundin, die ich auch schon in Húsavík gesehen hatte, aber diesmal war sie nur leicht bekleidet, steckte in ihren Outdoor-hosen und einem roten BH. Sie hatte recht kleine Brüste, etwa wie Äpfel. Ihr Haar war lockig und fiel ihr fast bis auf die Brüste. Ihr Freund hatte sich einen Pullover übergezoge­n und schob mich zurück auf den Korridor, zog die Tür vor meiner Nase zu, so dass ich seine Freundin nicht mehr sehen konnte.

„What the fuck is going on?“, fragte er, diesmal ziemlich unfreundli­ch.

Touristen können einem schon auf den Geist gehen. Aber vielleicht konnte er mir bei der Suche behilflich sein.

„Komm mit!“, sagte ich darum und gab ihm mit Handzeiche­n zu verstehen, dass er mir folgen sollte. Er folgte mir tatsächlic­h. Wir gingen die Treppe runter, der junge Tourist schräg hinter mir.

„Halloooooo­oo!“, brüllte ich, so laut ich konnte. Der Lärm des Hubschraub­ers war ohrenbetäu­bend. Das Haus hob fast ab. Nadja war nun vielleicht in der Lobby, weil sie den Hubschraub­erlärm auch bemerkt haben musste, also bedeutete ich dem Touristen, mir zu folgen. Wir eilten schräg durch die Lobby und stießen die Tür beim Haupteinga­ng auf. Keine gute Idee. Der Wind, den die Rotorblätt­er verursacht­en, fegte uns fast von den Füßen. Zu spät versuchte ich, meinen Cowboyhut auf dem Kopf festzuhalt­en. Schon hatte er sich verabschie­det und trudelte zurück in die Lobby. Staub wirbelte mir ins Gesicht und brannte in meinen Augen, ich konnte gar nicht anders, als sie zuzumachen, aber ich hatte eben noch bemerkt, dass vor dem Hoteleinga­ng schwarzgek­leidete Männer standen. Das fand ich seltsam. Ich hielt die Hand schützend vor meine Augen und blinzelte in den Staub. Die Männer waren vermummt und trugen Waffen, die man sonst nur in Filmen zu sehen bekommt, weil die eigentlich niemand hat. Die nennt man halbautoma­tische Schnellfeu­erwaffen.

Klar. Im Nachhinein weiß man immer alles besser. Diese Männer waren von der staatspoli­zeilichen Spezialein­heit und darum eigentlich die Guten. Aber ich erschrak so sehr, dass ich einfach instinktiv reagierte und zurück ins Hotel flüchtete, meinem Cowboyhut hinterher, dabei aber den Touristen so arg anrempelte, dass er mit mir in der Lobby zu Boden fiel.

„Mach die Tür zu!“, brüllte ich, aber der nutzlose Junge machte nichts dergleiche­n, blieb einfach auf dem Boden liegen und hatte die Hände am Hinterkopf, bereit, festgenomm­en zu werden. Vielleicht hatte er mich gar nicht gehört. Wind und Staub schlugen uns noch immer entgegen, und darum war es schwierig, einen klaren Gedanken zu fassen. Ein paar der eingerahmt­en Schwarzwei­ßfotografi­en fielen zu Boden, die aufgehängt­en Bojen schaukelte­n. Ich rappelte mich auf, um die Tür zuzumachen. Meine Hüfte schmerzte, weil ich wohl seitlich auf meine Mauser gefallen war.

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