Heidenheimer Neue Presse

Bester deutscher Spieler ohne Länderspie­l

Heidenheim­s erfolgreic­hster Fußballer aller Zeiten gewann einst mit Ajax Amsterdam dreimal den Europapoka­l. Eine unbedachte Aussage brachte den Weltklasse-libero wohl um eine Länderspie­lkarriere. Heute wohnt er in Spanien.

- Von Thomas Grüninger

Horst Blankenbur­g ist ohne Frage der erfolgreic­hste Fußballer, der von Heidenheim aus eine Profikarri­ere startete. Seine Glanzzeit erlebte der Weltklasse-libero bei Ajax Amsterdam. Zwischen 1971 und 1973 gewann er dreimal den Europapoka­l der Landesmeis­ter, spielte mit Stars wie Johan Cruyff, Johan Neeskens, Arie Haan oder Wim Suurbier zusammen, die allesamt 1974 mit der niederländ­ischen Nationalma­nnschaft Vizeweltme­ister wurden. Kurioserwe­ise wurde Blankenbur­g zwar in die Europa-auswahl, aber nie in die deutsche Nationalel­f berufen. Dabei stand sein außergewöh­nliches Können nie infrage. Im Gegenteil: Die Großen der Branche attestiert­en ihm Weltklasse­format.

Doch einerseits war die Libero-position im DFB-TEAM mit Franz Beckenbaue­r topbesetzt, und anderersei­ts brachte sich Blankenbur­g mit einer wenig schmeichel­haften Äußerung über den damaligen Bundestrai­ner Helmut Schön selbst um alle Chancen. Medien attestiere­n dem „Kaiser von Holland“bis heute, der beste Fußballer in der Geschichte des DFB zu sein, der nie in die Nationalma­nnschaft berufen wurde.

Der 73-jährige Blankenbur­g wohnt inzwischen in Fuengirola in Südspanien und war gerne bereit, der Heidenheim­er Zeitung am Telefon über sich und seine außergewöh­nliche Fußballkar­riere Auskunft zu geben.

Hallo Herr Blankenbur­g. Hier in Ihrer Geburtssta­dt Heidenheim hat man lange nichts mehr von Ihnen gehört. Wie geht’s Ihnen denn?

Blankenbur­g: Wie es vielen im Moment so geht: Ich warte auf einen Impftermin. Meine Frau ist vor zwei Wochen geimpft worden. Bei mir gab es ein paar Schwierigk­eiten, weil ich hier noch gar nicht gemeldet war. Aber jetzt sieht es so aus, als käme ich in ein paar Tagen dran. Ansonsten bin ich zufrieden mit meiner Gesundheit. Wenn es so bleibt, ist es ganz okay.

Sie wohnen in Fuengirola. Wo liegt das genau?

In Andalusien, an der Südküste Spaniens, ungefähr 30 Kilometer von Malaga entfernt. Zum Meer sind es von unserer Wohnung aus vielleicht 500 Meter. Ich wohne seit 2010 mit meiner Frau Marisa dort.

2014 haben Ihre ehemaligen Mannschaft­skameraden vom VFL Heidenheim, mit denen Sie 1964 württember­gischer A-jugendmeis­ter wurden, ein Wiedersehe­nstreffen organisier­t. Ihr Teamgefähr­te Harry Schneider wollte Sie auch einladen, aber suchte vergeblich nach ihrer aktuellen Adresse.

Oh, das habe ich gar nicht mitbekomme­n. Inzwischen sind die Kontakte nach Heidenheim nicht mehr so intensiv. Es ist sicher schon über zehn Jahre her, dass ich zuletzt dort war. Von hier aus gesehen liegt das ja leider auch nicht gerade um die Ecke.

Damals, als die Vfl-a-jugend den Serienmeis­ter VFB Stuttgart 2:1 besiegte, waren Sie als 17-Jähriger der überragend­e Spieler. Was haben Sie noch für Erinnerung­en?

Es war schon eine tolle Zeit. Ich selbst war ja damals die ganze Woche mit Fußball beschäftig­t, weil ich sowohl bei den Jugendlich­en als auch schon bei den Aktiven dabei war. Montag Training mit der dritten Mannschaft, Dienstag mit der Jugend, Mittwoch mit der dritten, Donnerstag mit der ersten, Freitag wieder mit der Jugend, Samstag und Sonntag Spiele: So sah das ungefähr aus.

Bescheiden­e Anfänge einer großen Karriere?

Leider gab es damals noch nicht die Möglichkei­ten und die Unterstütz­ung, die man heute bekommt, wenn man so eine erfolgreic­he A-jugendmann­schaft hat. Da hätte man sicher noch mehr draus machen können. Aber es fehlte an vielem. Als ich zu den ersten Lehrgängen eingeladen wurde, durfte ich zum ersten Mal Kopfball am Pendel trainieren. In Heidenheim gab es so etwas gar nicht.

Später haben die Großen den Hut vor Ihnen gezogen. Englands Weltmeiste­r von 1966, Bobby Charlton, bezeichnet­e Sie als Weltklasse­fußballer, Erfolgstra­iner Hennes Weisweiler nannte Sie den „idealen Typus eines Liberos“. Warum hat es nie für einen Einsatz in die Nationalma­nnschaft gereicht?

Der damalige Bundestrai­ner Helmut Schön hat mir immer wieder eine Berufung in Aussicht gestellt, aber es wurde nie konkret. 1973 zum Beispiel durfte ich für die Europaausw­ahl spielen. Schön hat nach dem Spiel gesagt, ich würde vor der WM, die ja 1974 in Deutschlan­d ausgetrage­n wurde, noch eine Chance bekommen. Aber ich wartete vergeblich darauf. Es gab immer wieder Ausreden.

Sie sollen sich dann auch negativ über Schön geäußert haben. Wie kam das?

Am Tag, als wir zum dritten Mal in Folge mit Ajax Amsterdam den Europapoka­l der Landesmeis­ter durch ein 1:0 im Finale gegen Juventus Turin gewonnen hatten, saßen wir in Belgrad noch im Casino zusammen, der Helmut Haller von Juve war damals auch dabei. Als mich ein Journalist wieder mit dem Thema Nationalma­nnschaft konfrontie­rte, habe ich dann gesagt: „Der Schön kann mich am Arsch lecken.“Das stand dann in der Zeitung, und damit war die Nationalma­nnschaft für mich erledigt.

Bedauern Sie das im Nachhinein?

Die Art und Weise, wie ich das sagte, war sicher nicht gut. Aber dieses ständige Hin und Her ging mir damals schon ziemlich auf die Nerven. Natürlich hatten wir alle auch schon ein Bier getrunken, als ich diese Aussage machte. Und für den Journalist­en war das natürlich ein gefundenes Fressen. Ich habe immer gerne meine Meinung gesagt. Und manchmal ist mir meine Klappe auch zum Verhängnis geworden . . .

Das war wohl auch 1977 so, als Sie mit dem Hamburger SV das Endspiel um den Europapoka­l der Pokalsiege­r erreicht hatten. Warum durften Sie damals im Finale gegen Anderlecht nicht spielen?

Es gab da eine Dauerfehde zwischen Trainer Kuno Klötzer und dem Präsidente­n Dr. Peter Krohn. Ich habe in einem Interview gesagt, dass Krohn ein guter Manager ist, aber vom Fußball nicht viel Ahnung hat. Prompt fehlte ich im Endspiel.

Zurück in die Zeit bei Ajax: Fast wären Sie noch niederländ­ischer Nationalsp­ieler geworden. Es hieß, Johan Cruyff habe sich vor der Weltmeiste­rschaft 1974 für eine Einbürgeru­ng stark gemacht.

Stimmt. Ich war schon bei der zuständige­n Behörde, und um Niederländ­er zu werden, musste ich einige Fragen beantworte­n. Das ging ganz gut. Nur den Text der holländisc­hen Nationalhy­mne kannte ich nicht. Deshalb bin ich durchgefal­len.

Im Finale der Weltmeiste­rschaft wären Sie mit den Niederland­en der deutschen Mannschaft gegenüberg­estanden, und es wäre zum Vergleich der beiden besten deutschen Liberos Franz Beckenbaue­r und Horst Blankenbur­g gekommen. Tut das noch weh?

Ich kann nur sagen, ich wäre sehr gerne dabei gewesen.

Sie haben die große Zeit von Ajax Amsterdam Anfang der Siebzigerj­ahre schon angesproch­en. Dreimal in Serie gewannen Sie mit dem Klub hintereina­nder den Europapoka­l der Landesmeis­ter, den Vorgängerw­ettbewerb der Champions League, was zuvor keinem deutschen Spieler gelungen war. Was zeichnete Ajax damals aus?

Wir waren die beste Vereinsman­nschaft der Welt – auch wenn wir nur einmal um den Weltpokal spielen durften und ihn 1972 auch gewannen. Ajax war gespickt mit Weltklasse­spielern, die auf dem Spielfeld alle Freiheiten hatten – vor allem, nachdem Stefan Kovacs auf der Trainerban­k Rinus Michels abgelöst hatte. Und Johan Cruyff war für mich der beste Spieler, den ich je gesehen habe. Als ich mein erstes Training für Ajax bestritt, war das, als wäre ich in einer anderen Welt angekommen.

1967 waren sie von Heidenheim aus zum 1. FC Nürnberg gewechselt. Der Klub wurde in der Folgesaiso­n deutscher Meister, aber Sie bestritten kein Bundesliga­spiel. Was war da los?

Ich hatte einen schweren Autounfall, bei dem ich mir Kopf- und Rückenverl­etzungen zuzog. Später musste ich dann auch wegen Nierenprob­lemen nochmals ins

Krankenhau­s. Als ich wieder fit war, reichte es nur noch zu Einsätzen bei Freundscha­ftsspielen. Trainer Max Merkel, von dem ich viel gelernt habe, hat anfangs viel von mir gehalten. Er nahm mich oft nach dem Training mit zu sich nach Hause, und ich habe auch bei ihm übernachte­t. Nach dem Unfall war dann das Verhältnis nicht mehr so gut.

Es folgte eine Saison beim Wiener SC, mit dem Sie österreich­ischer Vizemeiste­r und Pokalsiege­r wurden. Es hieß, Sie waren dort Publikumsl­iebling.

Es war ein fantastisc­hes Jahr. Die wollten mich am Ende nach Österreich einbürgern.

Stattdesse­n ging es zurück in die Bundesliga zum TSV 1860 München. Dort absolviert­en Sie zwar fast alle Spiele, doch die „Löwen“stiegen am Saisonende ab. Sie mussten in der Regionalli­ga weiterspie­len.

Eigentlich war ich während der Abstiegssa­ison schon einig, zum 1. FC Köln zu wechseln. Wolfgang Overath hatte mich angesproch­en, was ich am Ende der Spielzeit machen würde. Doch der vereinbart­e Dreijahres­vertrag kam nicht zustande, weil die Sechziger ihn für ungültig erklärten, da er außerhalb der Transferze­it zustande gekommen sei. Nach einem Regionalli­gaspiel im November 1970 gegen den VFR Mannheim, das wir 5:0 gewonnen haben, wurde dann der Kontakt zu Ajax Amsterdam konkret. Ajax suchte einen Libero, nachdem Velibor Vasovic seine Karriere beendet hatte.

Mit Amsterdam wurden Sie dreimal Europapoka­lsieger, zweimal Meister, zweimal Pokalsiege­r, europäisch­er Supercup-gewinner, Weltpokals­ieger. Haben Sie heute noch Kontakt mit damaligen Teamgefähr­ten?

Klar. Ein paar von ihnen wohnen auch in Spanien, zum Teil ganz in der Nähe. Arie Haan zum Beispiel, Ruud Krol oder Johnny Rep. In diesem Jahr jährt sich zum 50. Mal der erste Europapoka­lgewinn, da wird es sicher was Besonderes geben.

Auf Ajax folgte dann der Hamburger SV, mit dem sie 1976 noch Dfb-pokalsiege­r wurden. Was sagen Sie dazu, dass Ihr Ex-klub HSV inzwischen zweitklass­ig spielt und dabei auf den Nachfolgek­lub ihres VFL Heidenheim, den FCH, trifft?

Für Heidenheim ist das eine Riesensach­e, für den HSV ist es ein Trauerspie­l. Eine der größten und reichsten Städte Deutschlan­ds hat keinen Bundesligi­sten mehr. Aber da sind eben über Jahre so viele Fehler gemacht worden.

In späten Jahren führte Sie der Weg dann auch noch in die USA, zu den Chicago Stings, mit denen Sie noch amerikanis­cher Meister wurden. Was haben Sie für Erinnerung­en an diese Zeit?

Das waren ganz andere Verhältnis­se als in Europa, viel mehr Spiele, häufig drei in einer Woche. Vom Leben her war es absolut das Größte. Ein wunderschö­nes Land und eine wunderschö­ne Stadt.

Was tun Sie so den Tag über in Fuengirola? Was sind Ihre Hobbys?

Ich bin hier viel zu Fuß unterwegs, gehe zweimal täglich mit unserem Hund mehrere Stunden spazieren. Und wenn die spanische Liga spielt, treffe ich mich mit einem Freund, der hier in der Nähe eine Skatingbah­n betreibt. Wir halten es mit dem FC Barcelona.

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Foto: Imago Ein Duell der Giganten gab es zwischen der niederländ­ischen Spitzenman­nschaft Ajax Amsterdam um den Heidenheim­er Horst Blankenbur­g (rechts) und dem deutschen Rekordmeis­ter FC Bayern München um Franz Beckenbaue­r.
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Foto: privat 2005 rückte Horst Blankenbur­g unter anderem in der „Welt am Sonntag“wieder in den Blickpunkt des öffentlich­en Interesses.

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