Bester deutscher Spieler ohne Länderspiel
Heidenheims erfolgreichster Fußballer aller Zeiten gewann einst mit Ajax Amsterdam dreimal den Europapokal. Eine unbedachte Aussage brachte den Weltklasse-libero wohl um eine Länderspielkarriere. Heute wohnt er in Spanien.
Horst Blankenburg ist ohne Frage der erfolgreichste Fußballer, der von Heidenheim aus eine Profikarriere startete. Seine Glanzzeit erlebte der Weltklasse-libero bei Ajax Amsterdam. Zwischen 1971 und 1973 gewann er dreimal den Europapokal der Landesmeister, spielte mit Stars wie Johan Cruyff, Johan Neeskens, Arie Haan oder Wim Suurbier zusammen, die allesamt 1974 mit der niederländischen Nationalmannschaft Vizeweltmeister wurden. Kurioserweise wurde Blankenburg zwar in die Europa-auswahl, aber nie in die deutsche Nationalelf berufen. Dabei stand sein außergewöhnliches Können nie infrage. Im Gegenteil: Die Großen der Branche attestierten ihm Weltklasseformat.
Doch einerseits war die Libero-position im DFB-TEAM mit Franz Beckenbauer topbesetzt, und andererseits brachte sich Blankenburg mit einer wenig schmeichelhaften Äußerung über den damaligen Bundestrainer Helmut Schön selbst um alle Chancen. Medien attestieren dem „Kaiser von Holland“bis heute, der beste Fußballer in der Geschichte des DFB zu sein, der nie in die Nationalmannschaft berufen wurde.
Der 73-jährige Blankenburg wohnt inzwischen in Fuengirola in Südspanien und war gerne bereit, der Heidenheimer Zeitung am Telefon über sich und seine außergewöhnliche Fußballkarriere Auskunft zu geben.
Hallo Herr Blankenburg. Hier in Ihrer Geburtsstadt Heidenheim hat man lange nichts mehr von Ihnen gehört. Wie geht’s Ihnen denn?
Blankenburg: Wie es vielen im Moment so geht: Ich warte auf einen Impftermin. Meine Frau ist vor zwei Wochen geimpft worden. Bei mir gab es ein paar Schwierigkeiten, weil ich hier noch gar nicht gemeldet war. Aber jetzt sieht es so aus, als käme ich in ein paar Tagen dran. Ansonsten bin ich zufrieden mit meiner Gesundheit. Wenn es so bleibt, ist es ganz okay.
Sie wohnen in Fuengirola. Wo liegt das genau?
In Andalusien, an der Südküste Spaniens, ungefähr 30 Kilometer von Malaga entfernt. Zum Meer sind es von unserer Wohnung aus vielleicht 500 Meter. Ich wohne seit 2010 mit meiner Frau Marisa dort.
2014 haben Ihre ehemaligen Mannschaftskameraden vom VFL Heidenheim, mit denen Sie 1964 württembergischer A-jugendmeister wurden, ein Wiedersehenstreffen organisiert. Ihr Teamgefährte Harry Schneider wollte Sie auch einladen, aber suchte vergeblich nach ihrer aktuellen Adresse.
Oh, das habe ich gar nicht mitbekommen. Inzwischen sind die Kontakte nach Heidenheim nicht mehr so intensiv. Es ist sicher schon über zehn Jahre her, dass ich zuletzt dort war. Von hier aus gesehen liegt das ja leider auch nicht gerade um die Ecke.
Damals, als die Vfl-a-jugend den Serienmeister VFB Stuttgart 2:1 besiegte, waren Sie als 17-Jähriger der überragende Spieler. Was haben Sie noch für Erinnerungen?
Es war schon eine tolle Zeit. Ich selbst war ja damals die ganze Woche mit Fußball beschäftigt, weil ich sowohl bei den Jugendlichen als auch schon bei den Aktiven dabei war. Montag Training mit der dritten Mannschaft, Dienstag mit der Jugend, Mittwoch mit der dritten, Donnerstag mit der ersten, Freitag wieder mit der Jugend, Samstag und Sonntag Spiele: So sah das ungefähr aus.
Bescheidene Anfänge einer großen Karriere?
Leider gab es damals noch nicht die Möglichkeiten und die Unterstützung, die man heute bekommt, wenn man so eine erfolgreiche A-jugendmannschaft hat. Da hätte man sicher noch mehr draus machen können. Aber es fehlte an vielem. Als ich zu den ersten Lehrgängen eingeladen wurde, durfte ich zum ersten Mal Kopfball am Pendel trainieren. In Heidenheim gab es so etwas gar nicht.
Später haben die Großen den Hut vor Ihnen gezogen. Englands Weltmeister von 1966, Bobby Charlton, bezeichnete Sie als Weltklassefußballer, Erfolgstrainer Hennes Weisweiler nannte Sie den „idealen Typus eines Liberos“. Warum hat es nie für einen Einsatz in die Nationalmannschaft gereicht?
Der damalige Bundestrainer Helmut Schön hat mir immer wieder eine Berufung in Aussicht gestellt, aber es wurde nie konkret. 1973 zum Beispiel durfte ich für die Europaauswahl spielen. Schön hat nach dem Spiel gesagt, ich würde vor der WM, die ja 1974 in Deutschland ausgetragen wurde, noch eine Chance bekommen. Aber ich wartete vergeblich darauf. Es gab immer wieder Ausreden.
Sie sollen sich dann auch negativ über Schön geäußert haben. Wie kam das?
Am Tag, als wir zum dritten Mal in Folge mit Ajax Amsterdam den Europapokal der Landesmeister durch ein 1:0 im Finale gegen Juventus Turin gewonnen hatten, saßen wir in Belgrad noch im Casino zusammen, der Helmut Haller von Juve war damals auch dabei. Als mich ein Journalist wieder mit dem Thema Nationalmannschaft konfrontierte, habe ich dann gesagt: „Der Schön kann mich am Arsch lecken.“Das stand dann in der Zeitung, und damit war die Nationalmannschaft für mich erledigt.
Bedauern Sie das im Nachhinein?
Die Art und Weise, wie ich das sagte, war sicher nicht gut. Aber dieses ständige Hin und Her ging mir damals schon ziemlich auf die Nerven. Natürlich hatten wir alle auch schon ein Bier getrunken, als ich diese Aussage machte. Und für den Journalisten war das natürlich ein gefundenes Fressen. Ich habe immer gerne meine Meinung gesagt. Und manchmal ist mir meine Klappe auch zum Verhängnis geworden . . .
Das war wohl auch 1977 so, als Sie mit dem Hamburger SV das Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger erreicht hatten. Warum durften Sie damals im Finale gegen Anderlecht nicht spielen?
Es gab da eine Dauerfehde zwischen Trainer Kuno Klötzer und dem Präsidenten Dr. Peter Krohn. Ich habe in einem Interview gesagt, dass Krohn ein guter Manager ist, aber vom Fußball nicht viel Ahnung hat. Prompt fehlte ich im Endspiel.
Zurück in die Zeit bei Ajax: Fast wären Sie noch niederländischer Nationalspieler geworden. Es hieß, Johan Cruyff habe sich vor der Weltmeisterschaft 1974 für eine Einbürgerung stark gemacht.
Stimmt. Ich war schon bei der zuständigen Behörde, und um Niederländer zu werden, musste ich einige Fragen beantworten. Das ging ganz gut. Nur den Text der holländischen Nationalhymne kannte ich nicht. Deshalb bin ich durchgefallen.
Im Finale der Weltmeisterschaft wären Sie mit den Niederlanden der deutschen Mannschaft gegenübergestanden, und es wäre zum Vergleich der beiden besten deutschen Liberos Franz Beckenbauer und Horst Blankenburg gekommen. Tut das noch weh?
Ich kann nur sagen, ich wäre sehr gerne dabei gewesen.
Sie haben die große Zeit von Ajax Amsterdam Anfang der Siebzigerjahre schon angesprochen. Dreimal in Serie gewannen Sie mit dem Klub hintereinander den Europapokal der Landesmeister, den Vorgängerwettbewerb der Champions League, was zuvor keinem deutschen Spieler gelungen war. Was zeichnete Ajax damals aus?
Wir waren die beste Vereinsmannschaft der Welt – auch wenn wir nur einmal um den Weltpokal spielen durften und ihn 1972 auch gewannen. Ajax war gespickt mit Weltklassespielern, die auf dem Spielfeld alle Freiheiten hatten – vor allem, nachdem Stefan Kovacs auf der Trainerbank Rinus Michels abgelöst hatte. Und Johan Cruyff war für mich der beste Spieler, den ich je gesehen habe. Als ich mein erstes Training für Ajax bestritt, war das, als wäre ich in einer anderen Welt angekommen.
1967 waren sie von Heidenheim aus zum 1. FC Nürnberg gewechselt. Der Klub wurde in der Folgesaison deutscher Meister, aber Sie bestritten kein Bundesligaspiel. Was war da los?
Ich hatte einen schweren Autounfall, bei dem ich mir Kopf- und Rückenverletzungen zuzog. Später musste ich dann auch wegen Nierenproblemen nochmals ins
Krankenhaus. Als ich wieder fit war, reichte es nur noch zu Einsätzen bei Freundschaftsspielen. Trainer Max Merkel, von dem ich viel gelernt habe, hat anfangs viel von mir gehalten. Er nahm mich oft nach dem Training mit zu sich nach Hause, und ich habe auch bei ihm übernachtet. Nach dem Unfall war dann das Verhältnis nicht mehr so gut.
Es folgte eine Saison beim Wiener SC, mit dem Sie österreichischer Vizemeister und Pokalsieger wurden. Es hieß, Sie waren dort Publikumsliebling.
Es war ein fantastisches Jahr. Die wollten mich am Ende nach Österreich einbürgern.
Stattdessen ging es zurück in die Bundesliga zum TSV 1860 München. Dort absolvierten Sie zwar fast alle Spiele, doch die „Löwen“stiegen am Saisonende ab. Sie mussten in der Regionalliga weiterspielen.
Eigentlich war ich während der Abstiegssaison schon einig, zum 1. FC Köln zu wechseln. Wolfgang Overath hatte mich angesprochen, was ich am Ende der Spielzeit machen würde. Doch der vereinbarte Dreijahresvertrag kam nicht zustande, weil die Sechziger ihn für ungültig erklärten, da er außerhalb der Transferzeit zustande gekommen sei. Nach einem Regionalligaspiel im November 1970 gegen den VFR Mannheim, das wir 5:0 gewonnen haben, wurde dann der Kontakt zu Ajax Amsterdam konkret. Ajax suchte einen Libero, nachdem Velibor Vasovic seine Karriere beendet hatte.
Mit Amsterdam wurden Sie dreimal Europapokalsieger, zweimal Meister, zweimal Pokalsieger, europäischer Supercup-gewinner, Weltpokalsieger. Haben Sie heute noch Kontakt mit damaligen Teamgefährten?
Klar. Ein paar von ihnen wohnen auch in Spanien, zum Teil ganz in der Nähe. Arie Haan zum Beispiel, Ruud Krol oder Johnny Rep. In diesem Jahr jährt sich zum 50. Mal der erste Europapokalgewinn, da wird es sicher was Besonderes geben.
Auf Ajax folgte dann der Hamburger SV, mit dem sie 1976 noch Dfb-pokalsieger wurden. Was sagen Sie dazu, dass Ihr Ex-klub HSV inzwischen zweitklassig spielt und dabei auf den Nachfolgeklub ihres VFL Heidenheim, den FCH, trifft?
Für Heidenheim ist das eine Riesensache, für den HSV ist es ein Trauerspiel. Eine der größten und reichsten Städte Deutschlands hat keinen Bundesligisten mehr. Aber da sind eben über Jahre so viele Fehler gemacht worden.
In späten Jahren führte Sie der Weg dann auch noch in die USA, zu den Chicago Stings, mit denen Sie noch amerikanischer Meister wurden. Was haben Sie für Erinnerungen an diese Zeit?
Das waren ganz andere Verhältnisse als in Europa, viel mehr Spiele, häufig drei in einer Woche. Vom Leben her war es absolut das Größte. Ein wunderschönes Land und eine wunderschöne Stadt.
Was tun Sie so den Tag über in Fuengirola? Was sind Ihre Hobbys?
Ich bin hier viel zu Fuß unterwegs, gehe zweimal täglich mit unserem Hund mehrere Stunden spazieren. Und wenn die spanische Liga spielt, treffe ich mich mit einem Freund, der hier in der Nähe eine Skatingbahn betreibt. Wir halten es mit dem FC Barcelona.