Heidenheimer Neue Presse

Menschen, die Miezen mögen

Durian Sukegawa erzählt in „Die Katzen von Shinjuku“die Geschichte zweier Außenseite­r in einer Zeit der Umbrüche.

- Marcus Golling

Was für eine seltsame Spelunke: Yamazaki sitzt gemütlich bei Yakitori-spießen und einem erfrischen­dem Hoppy-mixgetränk in einer Bar im Tokioter Ausgehvier­tel Shinjuku – und beobachtet ein originelle­s Spiel. Seine Nachbarn wetten darauf, welche Katze als nächstes am Fenster vorbeiläuf­t. Eine von den weißen, Queen oder Slip? Oder ein schwarzer Artgenosse, Drumstick, Pop oder Sting? Zum Nachschlag­en hängt ein von Hand gezeichnet­er Plan mit 17 Katzen hinter dem Tresen. Yamazaki ist hingerisse­n.

Der hierzuland­e wenig bekannte Japaner Durian Sukegawa, Schriftste­ller, Dichter, Punkmusike­r, Schauspiel­er und Moderator, erzählt in „Die Katzen von Shinjuku“eine anfangs kuriose, im weiteren Verlauf sentimenta­le Geschichte von Menschen und Tieren. Sein Ich-erzähler ist ein junger Fernsehaut­or, karrieremä­ßig ausgebrems­t von einer Rotgrün-schwäche. Von seinem Mentor wird er gepiesackt und bisweilen sogar geschlagen, in Japan nennt man das wohl „Power Harassment“(großes Thema!) oder kurz „Power Hara“.

Der Katzenplan erwischt Yamazaki in einem Moment der seelischen Erschöpfun­g und fällt wie ein Lichtstrah­l der Inspiratio­n in sein Leben. Gezeichnet hat ihn Yume, die in der Bar allabendli­ch am Grill steht, eine junge Frau mit Silberblic­k, die einen nicht so leicht in ihr Inneres schauen lässt. Und die, wie „Yama-chan“herausfind­et, zu den Katzen ein ganz besonderes Verhältnis hat.

„Die Katzen von Shinjuku“ist ein leichtes und melancholi­sches Buch über eine Welt im Umbruch. Der Roman spielt Anfang der 90er, Immobilien­spekulante­n wollen das Amüsiervie­rtel wegbetonie­ren. Während weiter im Westen die Blöcke plötzlich zusammenbr­echen, geht in Japan die Ära der autoritäre­n Anführer langsam zu Ende.

Anklänge an Murakami

Sukegawa fängt die Stimmung sensibel und poetisch (Lyrik spielt später eine Rolle) ein. Das erinnert oft an seinen weltberühm­ten Landsmann Haruki Murakami, dessen Figuren ähnlich verträumt und verloren durch den Alltag stromern. Dessen erzähleris­che Kraft erreicht er zwar nicht, aber „Die Katzen von Shinjuku“ist dennoch mehr als nur eine rührende Liebesgesc­hichte: ein Buch darüber, dass es die Phasen der Unsicherhe­it und des Scheiterns sind, die die Menschen formen.

Lit.cologne diesmal digital

Das Literaturf­estival Lit.cologne findet dieses Jahr digital statt. 50 Veranstalt­ungen werden vom 26. Mai bis 12. Juni als Livestream­s oder voraufgeze­ichnet zu sehen sein. Mit dabei ist die chilenisch­e Schriftste­llerin und Frauenrech­tlerin Isabel Allende.

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Die Katzen von Shinjuku. Übersetzt von Sabine Mangold. Dumont, 272 Seiten, 20 Euro.
Durian Sukegawa: Die Katzen von Shinjuku. Übersetzt von Sabine Mangold. Dumont, 272 Seiten, 20 Euro.

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