Heidenheimer Neue Presse

Ein Zukunftsmo­dell?

- Axel Habermehl zum Start der zweiten grün-schwarzen Koalition leitartike­l@swp.de

Ein Neustart soll das also sein, kein „Weiter so“. Die Fortsetzun­g der grün-schwarzen Koalition soll nach Aufbruch und Anfangszau­ber duften, bloß nicht aufgewärmt und altbekannt. Der Wunsch ist verständli­ch, der Wille aber nachweispf­lichtig.

Denn der Blick auf die jüngere Geschichte nährt Zweifel. Bisher war Grün-schwarz ein von viel Streit und Blockaden geprägtes, durch viel Geld zusammenge­haltenes Zweckbündn­is.

Grün-schwarz war und ist eine große Koalition. Im subjektive­n Verständni­s der Beteiligte­n aber handelte es sich bisher um eine „Komplement­ärkoalitio­n“. Grüne wie CDU – nach der Wahl 2016 fast gleich stark – durften in einem gemeinsame­n Gut jeweils eigene Äcker bewirtscha­ften. Dem Koalitions­partner in die Parzelle zu spucken, seine Methoden in Frage zu stellen oder auch nur Ratschläge über den Zaun zu rufen, war zwar verpönt, fand aber in großem Maße statt. Fortlaufen­d wurde hinter den Kulissen gemault und gelästert, gebremst und obstruiert. Die Grünen rupften Polizeiges­etze des Cdu-chefs und Innenminis­ters, die Schwarzen zerpflückt­en das Klimaschut­zgesetz des grünen Umweltmini­sters.

Nun soll alles anders werden. Jedenfalls beteuern das die Protagonis­ten des Bündnisses. Doch Fragezeich­en sind auf beiden Seiten angebracht. Die Spitze der CDU, nach Stimmenver­lusten der inzwischen deutlich kleinere Koalitions­partner, müht sich etwa in diesen Tagen nach Kräften, den Eindruck zu erwecken, aus Überzeugun­g an die Spitze der Klimaschut­z-bewegung gesprintet zu sein. Das erfüllt einerseits den überfällig­en Zweck, die Partei inhaltlich zu modernisie­ren und für Wähler attraktive­r zu machen. Anderersei­ts soll die Flucht nach vorne die Kosten überdecken, mit denen CDU-CHEF Strobl die Fortsetzun­g der Koalition erkauft hat. Die Grünen konnten nach dem Wahlergebn­is die Preise diktieren, für die CDU stand viel auf dem Spiel. Entspreche­nd ist der Koalitions­vertrag in weiten Teilen mit grüner Tinte geschriebe­n. Ob das die CDU fünf Jahre mitmacht, ob die Basis Strobl wirklich folgt, ist längst nicht ausgemacht.

Wie reagieren die Grünen, wenn der Aufbruch ausbleibt, den großen Ankündigun­gen nicht bald Erfolge folgen?

Auch bei den Grünen stellen sich Fragen: Wie reagieren die Ökos, die derzeit vor Kraft kaum laufen können und vom Kanzleramt träumen, wenn der Aufbruch ausbleibt, den großen Ankündigun­gen im Land nicht bald Erfolge folgen? Wenn nicht zügig Windräder sprießen, sondern Entwürfe grüner Minister plötzlich wieder vom Cdu-wirtschaft­sministeri­um mit kritischen Nachfragen garniert zurückkomm­en? Und welche Auswirkung­en hätte es, falls der 72-jährige Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, wie viele erwarten, vorzeitig sein Amt niederlegt?

Grün-schwarz 2.0 hat eine faire Chance verdient. Kein anderes Bündnis hätte so viele Wähler vertreten. Die Parteien stellen die mit Abstand stärksten Fraktionen im Landtag. Die gewählten Themenschw­erpunkte klingen vernünftig. Doch angesichts der vergangene­n fünf Jahre sind Zweifel angebracht. Das Land steht vor gewaltigen Aufgaben. Fünf weitere Jahre Dauerstrei­t kann es sich nicht leisten.

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