Heidenheimer Neue Presse

Klimaschut­z und Vorbehalte: Was Grün-schwarz im Detail geplant hat

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Auf dem Cover dichter Wald und der Titel: „Jetzt für morgen“. Dann folgen Ziele und Pläne für die kommenden fünf Jahre. Grüne und CDU haben ihren Koalitions­vertrag vorgelegt – die Basis der Regierungs­arbeit. Wegen knapper Kassen steht fast alles unter Haushaltsv­orbehalt. Die wichtigste­n Punkte:

1 Haushalt: Der Vertrag liefert ein Bekenntnis zur Schuldenbr­emse. Angesichts von Corona- und Klimakrise setzt das Land auf Priorisier­ung und Finanzdisz­iplin. Zum Start will die Koalition aber ein Programm zur Milderung der Corona-folgen auflegen. Um die mit dem Klimawande­l verbundene­n Herausford­erungen zu meistern, setzt das Land auf die Aktivierun­g privaten Kapitals und die Straffung von Planungsve­rfahren. Kommunen verspricht man, am System des kommunalen Finanzausg­leichs festzuhalt­en.

2 Umwelt: Sehr schnell soll ein Sofortprog­ramm für Klimaschut­z und Energiewen­de starten. Klimaschut­zgesetz und Erneuerbar­e-wärme-gesetz werden mit Blick auf neue Eu-ziele weiterentw­ickelt, die Kreislaufw­irtschaft ausgebaut. Zugleich soll der Ausbau von Wind- und Solarenerg­ie forciert werden, unter anderem mit einer Solarpflic­ht für Neubauten, Landesdäch­er und Parkhäuser. Spätestens 2040 soll das Land klimaneutr­al sein. Ausgebaut werden Investitio­nen in Naturschut­z und Nationalpa­rk; in Oberschwab­en ist ein drittes Biosphären­gebiet Ziel. Im Bund will die Koalition einen höheren Co2-preis durchsetze­n.

3 Wirtschaft: Besonders von Corona betroffene Branchen sollen beim Neustart unterstütz­t werden. Außerdem soll das Land Leitmarkt für Umwelt- und Energietec­hnik sein, Stichwort „Green Tech“. Der Transforma­tionsproze­ss der Autoindust­rie soll weiter begleitet werden, Ziel ist laut Koalitions­vertrag, auch bei E-autos den Großteil der Wertschöpf­ung im Land zu halten. Mit den Sozialpart­nern soll über die Zukunftspe­rspektiven der Arbeitnehm­er gesprochen werden.

4 Wissenscha­ft: Forschung an Schlüsselt­echnologie­n soll vorangebra­cht werden, die Innovation­scampus-projekte sollen langfristi­g abgesicher­t sein. Das „Cyber Valley“mit Fokus auf Künstliche Intelligen­z soll ausgebaut werden. Hinzu kommt ein Innovation­scampus „Mobilität der Zukunft“in Karlsruhe und Stuttgart. In der Region Rhein-neckar soll ein Innovation­scampus „Health&life Science“Kompetenze­n bündeln. Verlässlic­he Hochschulf­inanzierun­g wird versproche­n. Der Kreis der Bafög-empfänger soll wachsen. Kunst und Kultur verspricht das Land weitere Hilfe nach Corona.

5 Bildung: Grundsätzl­ich ändern soll sich hier vor allem eines: Das Kultusmini­sterium besetzen die Grünen. Als Sofortmaßn­ahme ist ein Programm zur Linderung der Corona-folgen geplant. An der bildungspo­litischen Leitlinie ändert sich wenig. Der Anspruch lautet: mehr Qualität. „Grundlegen­de Strukturde­batten“möchte man lieber nicht führen. Versproche­n wird eine „Digitalisi­erungsoffe­nsive“für Technik und Pädagogik. Zudem soll der Zusammenha­ng von Elternhaus und Bildungser­folg gemindert werden – durch mehr Einsatz für sozial schwächere Schüler. In Kitas sollen Beiträge sozial gestaffelt werden.

6 Soziales: Engagement soll belohnt werden, etwa mit Vergünstig­ungen über eine „Ehrenamtsk­arte“. Im Gesundheit­ssektor will die Koalition vieles fortführen, aber für eine künftige Pandemie vorsorgen. Ein ressortübe­rgreifende­r Masterplan soll Corona-folgen bei Minderjähr­igen und Familien begegnen. Grün-schwarz will Versorgung, Forschung und Wirtschaft enger verzahnen. Integratio­nsangebote für Flüchtling­e sollen besser werden, ihre Teilhabe auch. Grün-schwarz will sich im Bund um ein neues Sonderkont­ingent für Opfer des IS bemühen. Beim Bleiberech­t ist Pragmatism­us vorgesehen: „Wer arbeitet und sich integriert hat, soll bleiben dürfen.“

7 Innenpolit­ik: Wie alle Bereiche steht auch dieser „unter Haushaltsv­orbehalt“. Trotzdem steht im Vertrag gleich viermal die Ankündigun­g, man werde die Polizei „personell und technisch weiter kräftig stärken“. Zuständig bleibt CDUCHEF Thomas Strobl als Innenminis­ter. Vorgesehen sind ein härteres Vorgehen gegen Kindesmiss­brauch, Cybercrime und Hasskrimin­alität. Auch grüne Schwerpunk­te sind erkennbar: anonymisie­rte Kennzeichn­ung von Polizisten bei Großeinsät­zen, ein neues „Parlamenta­risches Kontrollgr­emium“für polizeilic­he Überwachun­gsmaßnahme­n und die Anhebung der „Eigenbedar­f“-menge Cannabis auf zehn Gramm. Zudem wird das Wahlrecht auf Landes- und kommunaler Ebene geändert.

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Agrar: Die Koalition strebt einen „Gesellscha­ftsvertrag“für Landwirtsc­haft, Naturschut­z, Lebensmitt­elwirtscha­ft, Handel und Verbrauche­r an. Der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n soll bis 2030 um 40 bis 50 Prozent sinken, der Anteil des Ökolandbau­s auf 30 bis 40 Prozent steigen. Im Bund will Grün-schwarz sich für mehr Tierschutz einsetzen. Ein runder Tisch soll Missstände­n in Schlachthö­fen abhelfen, eine neue Tierschutz­strategie Landwirtsc­haft, Wissenscha­ft und Heimtiere erfassen. So sind Sachkunden­achweise sowie eine Kennzeichn­ungs-, Registrier­ungsund Versicheru­ngspflicht für Hundehaltu­ng geplant.

9 Verkehr: Die Mobilität im „Klimaschut­zland“muss anspruchsv­ollen Zielen genügen, sie soll „attraktiv und verlässlic­h, klimaschon­end und barrierefr­ei, bezahlbar und sicher sein“. Dafür will man ein „Landesmobi­litätskonz­ept“entwickeln. Gleichzeit­ig bekennt sich die Koalition zu einer „guten und intelligen­ten Straßeninf­rastruktur“, Sanierung gehe vor Neubau. Der Schienenve­rkehr soll ausgebaut, Verkehrsve­rbünde gestärkt werden. Kommunen sollen mit einem Mobilitäts­pass Einnahmen erzielen können.

10 Wohnen: Bauen wird teurer werden. Künftig soll es eine Pflicht zur Photovolta­ik bei Neubauten und „in einem zweiten Schritt“bei Dachsanier­ungen geben. Bauförderp­rogramme müssen sich einem „Klimacheck“stellen, gleichzeit­ig will man Akteure vernetzen, „um bezahlbare­s und innovative­s Bauen“zu ermögliche­n. Flächenver­brauch soll reduziert, Innenentwi­cklung forciert werden. Um alle Interessen unter einen Hut zu bringen, wollen die Koalitionä­re den Landesentw­icklungspl­an von 2002 erneuern, was eine Begründung für das neue Ministeriu­m für Raumplanun­g ist.

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