Wie es Studenten gerade geht
Virtuelle Vorlesungen, zerbrochene Freundschaften, weniger Nebenjobs – davon berichten Studierende im dritten Lockdown-semester in Folge. Viele blicken trotzdem optimistisch in die Zukunft.
Joshua Brutscher ist schneller als seine Freunde, deswegen sieht er sie nur noch selten. „Seitdem ich meinen Bachelor abgeschlossen habe, bin ich im Studium öfter alleine“, sagt der Informatik-student des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Nach sieben Semestern hat der 23-Jährige mitten in der Corona-pandemie mit dem Master angefangen – viele Freunde aus der Uni studieren noch im Bachelor. Weil sein Studium fast ausschließlich virtuell stattfindet, hat Brutscher aus seinem Master-semester noch niemanden persönlich kennengelernt. Das wirkt sich auf seine Leistung aus. „Ich mache weniger Ects-punkte als sonst und bin unproduktiver. Denn ich verstehe die Dinge am besten, wenn ich mit anderen darüber diskutiere.“
Vielen Studierenden geht es momentan wie Joshua Brutscher. Sie lernen und arbeiten teilweise im dritten Semester in Folge von zu Hause, viele haben ihren Nebenjob verloren. Doch der Leistungsdruck hat sich nicht verändert. Eine enorme Herausforderung für die Betroffenen.
Eine repräsentative Forsa-umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse hat herausgefunden, dass viele Studierende vor allem die ständige digitale Kommunikation anstrengt. Fast die Hälfte der Befragten gab außerdem an, sich nur schwer für das eigenständige Arbeiten motivieren zu können.
Auch Tizian Bitschi ist zu Hause oft weniger diszipliniert als in der Bibliothek oder im Hörsaal. „Die Bib ist geöffnet, ich müsste mich aber anmelden und Maske tragen und könnte dort nicht an Vorlesungen und Seminaren teilnehmen.“Der 21-Jährige ist im achten Bachelor-semester und studiert wie Brutscher Informatik
in Karlsruhe. Er kann sich zwar digital mit Kommilitonen austauschen und zusammen lernen, geht aber davon aus, dass er wahrscheinlich ein bis zwei Semester länger studieren wird als geplant.
Carolin Göbel ist froh, dass sie in einer WG wohnt, denn auch ihre Freundschaften leiden während des Lockdowns. Die 22-Jährige studiert Bildungswissenschaften, Soziologie und Theologie in Heidelberg und ist Gemeindeassistentin der dortigen Evangelischen Studierendengemeinde.
In der Gemeinde bekommt Göbel mit, dass immer mehr Studierende um Beratung und Seelsorge bitten. Sie erfährt, dass es einigen psychisch nicht gut geht. „Wir stehen ihnen freundschaftlich bei und bieten Gespräche an.“Auch Göbel wird länger studieren als geplant, macht sich aber deswegen keine Gedanken. „Später wird das jeder verstehen.“
An vielen Universitäten gibt es Psychosoziale Beratungsstellen. An der Uni Konstanz gibt es zudem eine studentische AG, die sich um psychisch belastete Kommilitonen kümmert. „Wir gehen mit ihnen spazieren und versuchen sie zu ermutigen oder weisen sie auf bestehende Beratungsangebote hin“, sagt Frederick Fritzsche.
Er wohnt mit Caroline Meinshausen zusammen in einer WG, beide Ag-mitglieder sitzen im Uni-senat. Fritzsche und Meinshausen studieren schon ein paar Jahre, kennen also das Studentenleben vor Corona. „Momentan macht es aber nicht so viel Spaß, findet Fritzsche. Der Lockdown belaste viele Studierende auch finanziell.
Momentan ist es schon eine echte Herausforderung, den Semester-alltag zu strukturieren. Hannah Bauer Psychologie-studentin
Hannah Bauer (23) glaubt, dass die Situation vor allem für Erstsemester belastend ist, weil sie an der Uni noch niemanden kennen. „Ich komme ganz gut zurecht, weil ich mit dem Bachelor fast fertig bin und viele Freunde habe“, sagt die Psychologie-studentin aus Konstanz.
Sie wohnt mit Joana Kühner (22) zusammen. „Das Wg-leben tut gut, gerade weil man nicht so viel machen kann“, findet Kühner. Sie engagiert sich als Gemeinderätin in der Katholischen Hochschulgemeinde. „Momentan ist es schon eine Herausforderung, den Alltag zu strukturieren“, sagt Bauer. Trotz der schwierigen Situation wissen beide Studentinnen schon, dass sie ein Masterstudium dranhängen wollen. Kühner möchte gerne ein Auslandssemester machen. „Ich hoffe auf die Impfung.“
Wie schätzen die Befragten ihre berufliche Zukunft ein? Große Sorgen hat niemand, doch viele haben keine genauen Vorstellungen, was und wie sie später arbeiten werden.
Joshua Brutscher und Tizian Bitschi gehen aber davon aus, dass sie nach dem Studium gut verdienen werden. „Ich kann mich glücklich schätzen“, sagt Bitschi, der noch bei seiner Mutter wohnt. Auch Brutscher ist sich der guten Aussichten für Informatik-studenten bewusst. „Ich mache mir eher Gedanken, wenn ich an geschlossenen Geschäften vorbeigehe. Ich glaube nicht, dass sie alle den Lockdown überleben werden.“