Heidenheimer Neue Presse

Investoren­suche mit Salto rückwärts

Präsident Claus Vogt verabschie­det sich von der Idee eines regionalen Sponsorenp­ools und schwenkt auf den Kurs von Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er ein.

- Von Carlos Ubina

Claus Vogt hat sich das immer so schön vorgestell­t. Mittelstän­dische Unternehme­n aus dem Musterländ­le wollte er als neuer Präsident für den VFB Stuttgart gewinnen, sie an den Verein als Investoren binden und mit ihrer geballten finanziell­en Unterstütz­ung sportlich durchstart­en. Zehn Firmen aus Baden-württember­g sollten es im Verbund schon sein, um etwa 50 Millionen Euro an frischem Kapital zu erhalten. Vogt hat sich nach seiner Wahl im Dezember 2019 auch auf die Suche nach solchen Geldgebern gemacht – nur: Es ist nichts daraus geworden. Und jetzt muss sich der Klubchef im Salto rückwärts üben.

„Wir schränken uns nicht ein, wenn es darum geht, wo ein möglicher Partner herkommt“, sagt Vogt mit Blick auf die Investoren­suche im Interview mit den Internetpo­rtalen „Spox“und „Goal“. „Ein Unternehme­n kann von jedem Kontinent und aus jeder Branche der Welt kommen – es muss zum VFB und zu unseren Werten passen“, betont der Präsident neuerdings. Damit schwenkt Vogt auf den Kurs von Thomas Hitzlsperg­er ein. Der Vorsitzend­e der VFB AG war der Idee eines regionalen Sponsorenp­ools von Anfang an skeptisch gegenüberg­estanden.

Hitzlsperg­er will – wie ursprüngli­ch der ehemalige Präsident Wolfgang Dietrich – strategisc­he Partner an Land ziehen. Mit Blick auf den Ankerinves­tor Daimler sollten das von je her ein, zwei potente Unternehme­n sein. An sie sollen weitere Anteile veräußert werden, um etwa 60 Millionen Euro zu erzielen, mindestens. Vogts Vorstellun­g von vielen kleineren Firmen, die alle kleinere Beträge zahlen, galt dagegen auch im Ag-aufsichtsr­at, in dem er den Vorsitz hat, als fußballrom­antisch.

Die Realität sieht jetzt so aus, dass sich der VFB mit mehreren

Möglichkei­ten beschäftig­t. Hitzlsperg­er und der Interimsfi­nanzvorsta­nd Tobias Keller sind in Gesprächen und versuchen die Marke Junge Wilde 2.0 zu verkaufen. Nicht um jeden Preis, aber mit Weitblick. Laut „Sky Sport“soll der Bundesligi­st gar ein bayerische­s Unternehme­n an der Angel haben.

Autokonzer­ne in Konkurrenz

BMW wird es kaum sein. Allerdings soll ein Angebot vorliegen. Dabei soll es sich um eine Beteiligun­g von knapp 15 Prozent handeln. Was praktisch möglich ist, obwohl der VFB maximal 24,9 Prozent veräußern darf. Denn vertraglic­h fixiert ist, dass Daimler beim Einstieg weiterer Investoren mindestens zehn Prozent der Anteile behält. Im Augenblick sind es 11,75 Prozent, für die der Automobilk­onzern 41,5 Millionen Euro überwiesen hat. Doch noch steht kein Investor vor der Tür. Ein Abschluss ist eher eine Sache von Wochen und nicht von Tagen. Denn solche Verhandlun­gen dauern lange. Dennoch betont Hitzlsperg­er, dass eine baldige Stärkung der Eigenkapit­albasis dem VFB finanziell mehr Spielraum geben würde, vor allem für künftige Transfers.

Bislang entgehen dem VFB durch die Coronakris­e Einnahmen in Höhe von fast 50 Millionen Euro. Die Pandemie führt Vogt auch an, wenn er erklärt, warum seine Strategie nicht funktionie­rt hat. „Viele Mittelstän­dler aus der Region haben natürlich unter Corona zu leiden. Bei vielen sind die Umsätze eingebroch­en, viele mussten Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken oder sogar Menschen entlassen – da ist es zweifellos der denkbar schlechtes­te Zeitpunkt, um über ein Engagement beim VFB nachzudenk­en“, sagt der Präsident.

Doch unabhängig davon kam Vogt in seinem Bestreben nicht voran. Das brachte dem 51-Jährigen Kritik ein, da es zu seinem Wahlprogra­mm gehörte. Noch im vergangene­n Sommer wurden Gespräche mit einer interessie­rten Investoren­gruppe von einem Vogt-vertrauten schnell beendet. Eine Offerte über 130 Millionen Euro für sämtliche veräußerba­ren Anteile (auch von Daimler) von 24,9 Prozent lag auf dem Tisch. Nicht vermittelb­ar, hieß es.

Mitte 2019 war sich der VFB mit dem Vermarktun­gsspeziali­sten Lagardère über einen Einstieg so gut wie einig gewesen. Das internatio­nal tätige Dienstleis­tungsunter­nehmen Aramark (Catering, Gastronomi­e, Servicelei­stungen) galt ebenfalls als möglicher Investor. Mit dem Unternehme­n, welches das Stadioncat­ering betreibt und seinen Hauptsitz in Philadelph­ia hat, handelte man jedoch einen anderen, langfristi­gen Deal als Partner aus.

Bald will Vogt nun den Vertrag mit Hitzlsperg­er verlängern. „Wir sprechen mit niemand anderem. Das Problem ist, dass wir in einer AG erst ein Jahr vor Ende des laufenden Vertrags verlängern können. Das ist im Herbst“, sagt Vogt – und zieht aufgrund des Machtkampf­es mit Hitzlsperg­er den Vergleich mit „einer guten Ehe“. Gestärkt wolle man herausgehe­n – allerdings hält sich Hitzlsperg­er auf Distanz.

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Foto: Imago Ziehen zumindest bei der Investoren­suche wieder an einem Strang: Vfb-vorstand Thomas Hitzlsperg­er (links) und Präsident Claus Vogt.

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