Kunden können Kasse machen
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs sind viele Gebührenerhöhungen unwirksam. Drohen nun Rückforderungen in Millionenhöhe?
Für die Banken könnte das Urteil des Bundesgerichtshofs richtig teuer werden. Es könnte um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag für 2018 bis 2020 gehen. Den könnten sich Kunden von Banken und Sparkassen zurückholen, vermutet Christian Kirchner vom Finanzportal Finanzszene. Hintergrund ist das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Verfahren der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Postbank, das Auswirkungen für die gesamte Branche hat. Danach können die Institute Preis- und Leistungsänderungen nicht einfach durch eine Mitteilung über die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mitteilen. Kunden müssten aktiv widersprechen. Faktisch werden sie nach dem Prinzip „Schweigen ist Zustimmung“durchgesetzt. Dies ist laut BGH künftig nicht mehr möglich. Eine „Zustimmungsfiktion“reiche nicht aus. Die Institute müssen ausdrücklich die Zustimmung der Kundinnen und Kunden einholen.
Zumindest zwei Banken haben bereits reagiert. Die Commerzbank-tochter Comdirect und die PSD Bank Nord hatten für den 1. Mai Gebührenerhöhungen für ihre Girokonten angekündigt. Die haben sie wieder zurückgezogen. Kirchner zufolge ist das Urteil für die Bankenbranche ein Schock, weil sie sich mit ihrem Verfahren sicher wähnten, Vorinstanzen des BGH die Praxis der Institute gestützt hatten und das Urteil (XI ZR 26/20) möglicherweise auch in den Jahren seit 2018 durchgesetzte Preisanhebungen betrifft. Betroffen sind nach Ansicht von Kirchner auch Fintechs und die jungen Online- und Neobanken wie etwa N26.
„Das ist ein gutes Urteil für Verbraucherinnen und Verbraucher mit Signalwirkung für die gesamte Bankbranche“, ist Klaus Müller, Vorstand der vzbv überzeugt. Es sei richtig gewesen, durch alle Instanzen zu gehen. Das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht Köln hatten die Klage gegen die Postbank 2018 und 2019 zurückgewiesen. Auch Abmahnungen des vzbv gegen zu weite Klauseln hatten keine Wirkung gezeigt. „Tatsächlich“, so Müller, „haben viele Banken und Sparkassen in der Vergangenheit auf Grundlage dieser und vergleichbarer Formulierungen Leistungsund Preisänderungen durchgesetzt. Der Ball liegt nun bei den Banken.“Banken und Sparkassen insgesamt wollen das schriftliche Urteil und die Begründung abwarten. Das dürfte noch einige Wochen dauern.
Auf Banken und Sparkassen könnte eine Flut von Forderungen zukommen, glaubt Finanzexperte Kirchner. „Fast alle Banken haben in den vergangenen drei Jahren da oder dort ihre Preise und Leistungen auf Basis der Zustimmungsfiktion geändert“. Dass es Erhöhungen gab, zeigt allein schon eine Erkenntnis des Finanz-vergleichsportals biallo.de: Danach bieten derzeit nur noch 30 Institute kostenlose Girokonten an. Vor einem Jahr seien es noch 70 gewesen.
Um welche Erstattungssummen es gehen könnte, ist allerdings schwierig zu ermitteln.
Kirchner zufolge ist nur eine grobe Näherung möglich, da die Institute die Einnahmen über Bankgebühren nicht im Detail ausweisen. Allerdings sind die Provisionseinnahmen, die auch Gebühren enthalten, 2019 laut Bundesbank um knapp 6 Prozent oder 1,7 Milliarden Euro gestiegen. Die Volks- und Raiffeisenbanken verbuchten 2020 ein Plus beim Provisionsüberschuss von 3,8 Prozent oder 200 Millionen Euro auf 5,66 Milliarden Euro, bei den Sparkassen gibt es 197 Millionen auf knapp 9,8 Milliarden Euro nach oben. Allerdings war der Schub auch durch die starke Entwicklung des Wertpapiergeschäftes bedingt. Generell sind die Preise für Finanzdienstleistungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2020 im Vergleich zu 2019 um 4,8 Prozent gestiegen. Seit 2015 liegt das Plus bei 24 Prozent. Es ist damit vier Mal so hoch wie bei den Preisen allgemein.
„Wir gehen davon aus, dass viele Banken neue Preiserhöhungen schicken werden“, heißt es bei Finanztip. Dann müssten aber Kunden als Folge des Urteils aktiv zustimmen. Ausgeschlossen sei nicht, dass die Bank bei Ablehnung das Konto kündigen werde. Die Versuchung bei den Instituten, die Geschäftsbeziehung dann einseitig zu beenden, dürfte auch nach Ansicht von Kirchner deutlich gestiegen sein.
Viele haben Änderungen durchgesetzt.