Zauberburg im Ziegelkleid
Max Dudler heißt der Schweizer, der die 2017 in Heidenheim eingeweihte Stadtbibliothek entworfen hat. In Ulm soll nun nach seinen Plänen ein Anbau ans Theater entstehen. Selbstverständlich wird darüber auch kontrovers diskutiert.
Der Architekt Max Dudler hat Pläne für einen Anbau am Ulmer Theater entworfen. Man kennt ihn von der Heidenheimer Stadtbibliothek.
Max wer? Max Dudler. So lautet der Name des Architekts. Der Mann hat jede Menge internationales Renommee. Und seine Entwürfe sind nicht nur in zahlreichen deutschen Städten Stein geworden. Auch in Heidenheim steht ein Dudler-bau. Es ist die Stadtbibliothek. Und nun ist Max Dudler von Berufs wegen der Stadt an der Brenz wieder einmal sehr nahegekommen. Sein Name fällt jetzt in Ulm. Dort allerdings geht es nicht um einen kompletten Neubau, sondern um einen Anbau. Und zwar den ans Theater.
Bereits im August 2020 hatte eine Jury einstimmig Max Dudler für seinen Entwurf zum Sieger eines Wettbewerbs gekürt. Inzwischen hat auch der Bauausschuss des Gemeinderats zustimmend Kenntnis genommen. Im Sommer 2022 soll der Gemeinderat den Bau als solchen endgültig beschließen; mit seiner Fertigstellung wird im Herbst 2025 gerechnet.
Karajan statt Olga
Erst 2019 hatte man in Ulm in einer Reihe von Festlichkeiten das Jubiläum „50 Jahre Theaterneubau“begangen. Dieses Haus – das an anderer Stelle in der Stadt stehende alte Theater war bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört worden – steht, jetzt mal verkehrstechnisch betrachtet, nach wie vor an der an die einstige württembergische Königin erinnernde Olgastraße, hat zwischenzeitlich aber zumindest postalisch den Platz gewechselt und eine hochmusikalisch klingende Adresse erhalten: Herbert-von-karajan-platz 1. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass, wie es der Name des Platzes bereits andeutet, kein Geringerer als eben Herbert von Karajan in den Jahren von 1929 bis 1934 als Erster Kapellmeister in Ulm wirkte, ehe er einer der bekanntesten Dirigenten weltweit wurde.
Erbaut wurde das recht wabenförmig daherkommende neue Ulmer Theater mit seinem nach außen weithin weiß leuchtenden Bühnenhaus und seiner nach innen wirkenden erklecklichen Menge an Sichtbeton nach Plänen des Architekten Fritz Schäfer. Für dessen Entwurf hatte sich der Ulmer Gemeinderat bereits im Jahr 1958 ausgesprochen. Insgesamt kostete der Bau, der mehr als nur das 815 Plätze bietende Große Haus beinhaltet, 25 Millionen Mark.
Nun also plant die Stadt für mindestens 27 Millionen Euro einen unter anderem aus Arbeitssicherheitsgründen dringend benötigten Erweiterungsbau, der, wie Jürgen Kanold in der Südwest Presse berichtet, „nicht zuletzt einen deutlich größeren, schallgeschützten Orchesterprobensaal bieten soll; 1969 war das Theaterorchester mit 45 Musikern noch in der E-klasse eingruppiert, derzeit hat es in der Tarifgruppe C 56 Planstellen. Aber auch ein Kinderund Jugendtheater soll integriert werden.“
Geneigt statt flach
Unter anderem. Das wird man dann drinnen sehen. Und draußen? Sehen wird man, wie es Jürgen Kanold charakterisiert, „einen
Bau mit kleinen gereihten Satteldächern, aber auch einen schmalen markanten, hoch aufragenden Giebelbau, der die alte Reichsstadt Ulm beschwört“.
Der Architekt Arno Lederer, Vorsitzender der Jury, rühmte in einem Gespräch mit der Südwest Presse Max Dudlers Entwurf als einen „Brückenschlag zur Altstadt“, sprach von einer perfekten Funktionalität, von einer „sehr poetischen Anmutung“.
Selbstverständlich gibt es auch andere Meinungen. So berichtete die Südwest Presse, dass in der Sitzung des Bauausschusses im Ulmer Rathaus dem Planungsverfahren und den Verhandlungen mit dem Architekten der Segen nicht unwidersprochen erteilt wurde und der Erweiterungsbau in dieser Gestalt unter anderem als „Getreidespeicher“und als Konkurrenz zum Schäfer-theater empfunden wurde. Auch der Spitzgiebel des Entwurfs war in der Sitzung nicht jedermanns Geschmack; es kam die Frage auf, wie man ausgerechnet an diesem Ort alte reichsstädtische Gedanken hegen könne.
Baubürgermeister Tim von Winning, so berichtet die Südwest Presse, akzeptierte den Widerspruch: „Es ist kein Entwurf, der automatisch ins Auge fällt.“Dieser sei artifiziell, selbstbewusst, lasse sich nicht unterordnen, erzähle eine eigene Geschichte. Auch die Jury habe sich Dudlers Entwurf erst „erarbeiten“müssen. „Muss das geneigte Dach sein?“, griff er die Debatte auf.
Nein, das müsse es nicht – aber ein Flachdach sei auch längst nicht mehr der Inbegriff der Moderne. Er bezeichnete den funktionalen, skulpturalen Theateranbau im Ziegelkleid als eine „Zauberburg“, die neugierig mache.
Klinker statt Stacheldraht
Wie man sich erinnert, war auch das Gesicht der Heidenheimer Stadtbibliothek nicht unumstritten Vermutlich ist es das immer noch nicht.
Ansonsten hat man sich an den Anblick gewöhnt und wird jeder, mancher mindestens insgeheim, zu dem Schluss kommen, dass die fein perforierte Klinkerwand der Bücherei der Stacheldrahtfassade des früher am Platz stehenden Gefängnisses in jeder Hinsicht vorzuziehen ist.
18,5 Millionen Euro hat am Ende der Heidenheimer Dudlerbau gekostet, für den, eine gewisse Parallelität zur jüngeren Ulmer Theatergeschichte, eigens eine exklusive Postadresse kreiert wurde: Willy-brandt-platz 1.