Mehr Freiheiten für Geimpfte
Stephan Stracke beschrieb den Druck sehr genau, den das Parlament an diesem Donnerstag in Berlin spürte. „Alle acht Sekunden wird in Deutschland ein Mensch geimpft“, sagte der für Gesundheit zuständige CSUMANN in der Debatte über die Ausnahmen von der erst vor gut zwei Wochen beschlossenen Bundesnotbremse. Vollständig Geimpfte und Genesene müssen sich an deren Auflagen nicht mehr halten. Mit den Stimmen der Union, der SPD, der Linken und der Grünen stimmte das Parlament dafür, dass für sie die Sperrstunde nicht gilt, sie keine Tests zum Einkaufen brauchen und sie sich mit anderen, ebenso vollständig Geimpften zum Essen oder Feiern treffen dürfen. Sogar Fußballspiele unter Geimpften sind demnach wieder erlaubt. Die FDP enthielt sich, die AFD stimmte dagegen.
Wer nun meint, dass es sich bei den vollständig Geimpften nur um Pflegeheimbewohner oder Hochbetagte handelt, sollte sein Urteil überprüfen. Laut Robert-koch-institut sind nämlich inzwischen über 30 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft, 8,6 Prozent haben bereits den zweiten Piks erhalten, 7,145 Millionen Menschen. Gut 3,4 Millionen haben die Krankheit durchlaufen. Und: Alle acht Sekunden kommt eben noch ein Geimpfter hinzu.
Kleiner Gruß aus Karlsruhe
Doch nicht nur die inzwischen funktionierende Impfkampagne prägte die Debatte im Reichstagsgebäude. Auch der Gruß, den das Bundesverfassungsgericht am Vorabend in Richtung Berlin geschickt hatte, spielte eine Rolle. Die obersten Richter hatten zwar Eilanträge gegen die nächtliche Corona-ausgangssperre abgelehnt, aber zugleich darauf hingewiesen, dass damit nicht entschieden sei, ob die Auflage mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Auch weil die Koalition fürchtet, dass ihre Notbremse vom Verfassungsgericht kassiert werden könnte, war es möglich, dass zwei Tage nach dem Kabinettsbeschluss bereits der Bundestag die Ausnahme durchwinkt und der Bundesrat an diesem Freitag folgt. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte, dass die Politik keine andere Wahl habe als Geimpften und Genesenen ihre Rechte zurückzugeben, weil diese das Virus nur in absoluten Ausnahmefällen weitergäben: „Rechtstaatliche Grundsätze müssen gerade auch in Krisenzeiten gelten“.