101. Geburtstag ohne Zwilling
Den gemeinsamen 100. hat Katharina Schwarzbauer noch mit ihrer Schwester Anna gefeiert. Die ist jetzt an Corona gestorben – nach ihrer Impfung.
Auf der Trauerkarte steht: „Die Mama war‘s – was braucht’s der Worte mehr.“100-jährig ist Anna Zitzelsberger am 29. Januar 2021 im Pflegeheim in Ruhmannsfelden gestorben. Ihre Zwillingsschwester Katharina Schwarzbauer lebt weiterhin in dem Markt im Bayerischen Wald, diese Woche wurde sie 101. Die beiden waren fit beim Besuch im vergangenen Herbst. Schwarzbauer sagte: „Ich bin pumperlgsund.“Auch die Schwester Anna stand in der Früh immer auf und wurde mit dem Rollstuhl geschoben, oft gingen sie mit Tochter und Nichte für einen Kuchen ins nahe Café Mader. Zu dieser Zeit war Corona abgeebbt, Besuche waren erlaubt.
Die Jahrhundertfrauen waren das einzige Zwillingspärchen in diesem Alter in Deutschland. Sie erzählten von ihrem harten, aber geerdeten Bayerwald-leben, vom Aufwachsen mit neun Geschwistern in einer Bauernfamilie. Es wurde Holz gehackt, man lebte vom Wald, der Vater war auch Wilderer, sonst hätte er die Familie nicht durchgebracht. Eine raue, versunkene Welt.
Immer blieben sie nah beieinander, heirateten, bekamen Kinder, Enkel, Urenkel. Zuletzt teilten sie sich ein Zimmer im Heim.
Von Oktober an, als die Infektionszahlen wieder in die Höhe schnellten, durften sie nicht mehr besucht werden. „Aber wir haben geskypt, alle 14 Tage“, erzählt Margot Wagner, die Tochter von Anna Zitzelsberger. Das Pflegepersonal organisierte das, hielt den beiden das Handy bereit. „Die Mama war putzmunter“, erinnert sich Wagner.
Am 23. Januar erhielten die betagten Schwestern ihre erste Corona-schutzimpfung. „Das war schon eine Erleichterung“, sagt Wagner. Denn viele Bewohner und Teile des Personals hatten sich trotz aller Schutzmaßnahmen infiziert. Zwei Tage nach der Impfung rief das Heimpersonal an: Die Schwestern sind Corona-positiv. Es braucht eine gewisse Zeit, bis die Erstimpfung ihre Wirkung aufbaut. Ob sie tatsächlich infiziert waren, lässt sich nicht rekonstruieren. Den beiden gehe es „so weit gut“, meinten die Pflegekräfte.
Wagner und ihre Schwester Christine Heimerl, die sich hauptsächlich um die beiden kümmerten, konnten nichts weiter machen. Zwei Tage später sagte man ihnen, die Mutter sei „ein bisschen matt, sie schläft“. Dann wurden die Mitteilungen immer schlechter: Der Zustand sei „nicht so gut“. Tags darauf wurde gesagt: „Es geht dem Ende zu, Sie dürfen kommen.“Nach Negativ-tests und in Schutzkleidung eingehüllt, konnten alle ins Zimmer, die Töchter und auch die Enkel.
„Wir haben uns verabschiedet“, sagt Wagner. Am 29. Januar morgens um 3.55 Uhr sei ihre Mutter dann „friedlich eingeschlafen“. Da waren sie da. Sie streichelten der Verstorbenen über die Wangen. Der Arzt sagte: „Mit 100 darf man an allem sterben, nur nicht an Corona.“
Am 3. Februar wurde Anna Zitzelsberger beerdigt, im Familiengrab auf dem Friedhof von Gotteszell, neben der Pfarrkirche St. Anna. „Es hat nur gegossen und war sehr kalt“, erinnert sich Wagner. 25 Angehörige waren zugelassen, die Kirche blieb wegen Corona abgesperrt.
Die Schwester Katharina kam nicht, sie war zusammengebrochen und musste in eine Klinik gebracht werden. Dort verlegte man sie auf die Palliativstation, weil ihr Zustand aussichtslos erschien. „Doch irgendwie hat sie sich wieder derrappelt“, sagt die Nichte. Im März kam sie zurück ins Heim. „Sie vermisst ihre Schwester sehr und möchte nun bald eine Messe für sie lesen lassen.“
Die Angehörigen kamen zum 101. diese Woche in kleiner Runde und gemäß den Corona-vorschriften zusammen. Das traditionelle Geburtstagsessen im Gasthof „Hacker“in Gotteszell fiel freilich aus. Vielleicht ja zum 102. dann wieder.
Mit 100 darf man an allem sterben, nur nicht an Corona. Der Arzt nach Anna }itzelsbergers aod