Heidenheimer Neue Presse

E-mobilität gefährdet Jobs

Immer mehr Autoherste­ller setzen auf Elektro-antriebe. Einer ifo-studie zufolge könnten bis 2025 dadurch 100 000 Arbeitsplä­tze wegfallen.

- Von Dorothee Torebko Die Aufgabe ist gewaltig und der Anpassungs­grad sehr hoch. Hildegard Müller Präsidenti­n des VDA

Dramatisch­er Umbruch“, „gewaltige Aufgabe“, „enorme Herausford­erung“: Die Präsidenti­n des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA), Hildegard Müller, hat am Donnerstag ein dramatisch­es Bild für die Zukunft der Automobili­ndustrie in Deutschlan­d gezeichnet. Durch die Umstellung vieler Automobilf­irmen vom Verbrennun­gsmotor auf Elektromob­ilität könnten über 100 000 Arbeitsplä­tze bis 2025 wegfallen. Das ist das Ergebnis einer Studie des ifo-instituts im Auftrag des Autoverban­des, die Müller zusammen mit dem ifo-institutsl­eiter Clemens Fuest am Donnerstag in Berlin vorgestell­t hat.

Die Autobranch­e befindet sich in einem Transforma­tionsproze­ss. Um die Klimaschut­zziele der Bundesregi­erung zu erreichen und den Co2-ausstoß drastisch zu reduzieren, ist eine Revolution im Verkehrsse­ktor nötig. Der Verbrennun­gsmotor ist ein Auslaufmod­ell; VW, Daimler, BMW und Co setzen auf Elektromob­ilität, Wasserstof­f und synthetisc­he Kraftstoff­e. Mit 830 000 Beschäftig­ten ist die Autobranch­e eine der wichtigste­n Industrien dieses Landes und Jobmotor. Weil im E-auto jedoch weniger Teile verbaut werden als im Dieseloder Benzinfahr­zeug, ist die Sorge groß: Wie viele Arbeitsplä­tze gehen durch den Strukturwa­ndel verloren?

In den vergangene­n Jahren hatten Studien Horrorszen­arien gezeichnet. So berechnete etwa das Expertengr­emium der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), dass durch die Transforma­tion hin zur Elektromob­ilität bis 2030 möglicherw­eise rund 400 000 Arbeitsplä­tze verloren gehen könnten. Zuletzt hatten die Forscher des Fraunhofer Instituts in Stuttgart am Beispiel Volkswagen berechnet, dass es so schlimm nicht werden wird. Sie gingen davon aus, dass VW 2029 in der Fahrzeugfe­rtigung zwölf Prozent weniger Beschäftig­te benötigt als 2019.

Das ifo-institut hat den Verlust von Arbeitsplä­tzen im Automobils­ektor nun in eine Korrelatio­n gestellt mit den Beschäftig­ten, die in Rente gehen. Das Ergebnis: Bis 2025 sind mindestens 178 000 Beschäftig­te von der Transforma­tion betroffen, bis 2030 mindestens 215 000 Arbeitsplä­tze. Die altersbedi­ngte Fluktuatio­n federt den Effekt nur bedingt ab. So gehen rund 75 000 Beschäftig­te bis 2025 in den Ruhestand, bis 2030 sind es 147 000. Das bedeutet: Bis 2025 sind 103 000 Arbeitsplä­tze in Gefahr, bis 2030 dann 68 000.

Die Studienaut­oren bezogen sich lediglich auf den möglichen Wegfall von Jobs. Sie zogen jedoch nicht in Betracht, wie viele Arbeitsplä­tze durch die Transforma­tion im Automobils­ektor neu geschaffen werden. Dies sei schwer abzuschätz­en und hänge von diversen Faktoren ab, sagte Studienaut­or Johannes Koenen. Zum Beispiel sei unklar, wie viele Jobs in den kommenden Jahren durch die Batterieze­llenproduk­tion in Deutschlan­d entstehen würden.

Dem VDA gehe es darum aufzuzeige­n, welche Herausford­erungen auf die Branche in den kommenden Jahren zukämen, erläuterte Vda-präsidenti­n Müller. „Vor allem für die mittelstän­disch geprägte Zulieferer­branche ist der Übergang zur Elektromob­ilität eine große Herausford­erung“, sagte ifo-präsident Fuest. Wichtig sei, in der verbleiben­den Verbrenner­produktion und bei Elektrofah­rzeugen hochqualif­izierte Jobs zu erhalten, ohne den Strukturwa­ndel aufzuhalte­n.

„Die Aufgabe ist gewaltig und der Anpassungs­grad sehr hoch“, sagte Müller. Deshalb habe sie auch kein Verständni­s für die jetzigen Diskussion­en zur Erhöhung der Klimaschut­zziele angesichts des Bundesverf­assungsger­ichtsurtei­ls. Es herrsche ein politische­r Überbietun­gswettbewe­rb. Unternehme­n bräuchten aber Planungssi­cherheit. Deshalb müssten schärfere Co2-einsparzie­le auch europäisch diskutiert und beschlosse­n werden. Ein deutscher Alleingang bei der Verschärfu­ng bringe nichts. Kommentar

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