Heidenheimer Neue Presse

Stark und verletzlic­h

Sie machte eine Hollywood-karriere und war die Mona in „Kir Royal“: Senta Berger feiert ihren 80. Geburtstag – mit dem Tv-film „An seiner Seite“.

- Von Jürgen Kanold

Mit 16 schnitt sie sich für einen Sophia-lorenwettb­ewerb mit der Schere einen tiefen V-ausschnitt in den braven Rollkragen­pullover, später nannte man sie auch „die Marilyn Monroe Wiens“. Jedenfalls machte Senta Berger als außergewöh­nliche Schönheit schnell Karriere. Aus dem Max-reinhardt-seminar, der Schauspiel­schule, flog sie, weil sie in dem Film „The Journey“mit Yul Brynner frech eine Rolle übernommen hatte. Und schon winkte Hollywood: Richard Widmark, John Wayne, Kirk Douglas („Der Schatten des Giganten“), Dean Martin oder Frank Sinatra wurden Filmpartne­r. Oder wie jetzt ihr junger deutscher Kollege Florian David Fitz in der ZDF-DOKU „An ihrer Seite – Weltstar Senta Berger“schwärmt: „Sie ist eine der wenigen Schauspiel­erinnen, die wirklich Geschichte­n aus Hollywood zu erzählen haben, nicht nur: Ich war mal drüben und keiner wollte mich.“

Auch von sexuell übergriffi­gen Produzente­n und Schauspiel­ern kann Senta Berger berichten. Von den Weinsteins im Filmgeschä­ft wusste sie schon vor „Metoo“, 2006 schrieb sie davon in ihren Memoiren „Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann“. Kürzlich sprach sie in einem Interview mit der „Zeit“darüber, wie O.W. Fischer sie 1961, da war sie 20, bei den Dreharbeit­en von „Es muss nicht immer Kaviar“versucht habe zu vergewalti­gen.

„Weltstar“ist ein großes Wort, aber Senta Berger war tatsächlic­h als eine der wenigen deutschspr­achigen Schauspiel­erinnen im internatio­nalen Kino präsent. Und konnte und kann weit mehr, als nur ihr Gesicht (und mehr) neben Hollywood-helden in die Kamera halten. „So kurz sind 80 Jahre, aha! Das habe ich gar nicht bedacht“, sagt Senta Berger in ihrer typischen, klugen, leicht verträumte­n Senta-berger-nachdenkli­chkeit. Und bilanziert: „Ganz schön viel gemacht.“Ihren 80. feiert die Wienerin, die in München lebt, am 13. Mai.

Neben dieser Familienal­bum-doku zeigt das ZDF aus diesem Anlass auch den neuen Fernsehfil­m

„An seiner Seite“von Felix Karolus. Senta Berger spielt die Frau eines Weltklasse-dirigenten (Peter Simonische­k), die mit ihm nach München zurückkehr­t, wo die alleinerzi­ehende Tochter lebt, die ihr vorwirft, als Mutter versagt zu haben.

Die Grande Dame

Eine ersehnte, eine schwierige Heimkehr. Nur hat Charlottes Mann wieder ein Angebot von der Met in New York, was er verschweig­t, und eine junge Pianistin reizt ihn auch. Aber da macht sie die Bekanntsch­aft mit einem ehemaligen Bademeiste­r aus Thüringen (Thomas Thieme). Grünwald-großbürger­in trifft, sehr herzlich, Vorstadt-witwer. Charlotte, die ehelich immer „an seiner Seite“stand wie eine persönlich­e Assistenti­n, denkt jetzt über ihr eigenes Leben nach.

Es ist ein Kammerspie­l, das in großer Ruhe eine sehr einfache Botschaft erzählt: einander sehen, zuhören, das zählt in jeder Beziehung. Und wenn es eine Grande Dame des deutschen Fernsehens gibt, dann ist es Senta Berger: ein feines Changieren aus strenger

Lebensklug­heit, weiblicher Souveränit­ät und angedeutet­er Hilflosigk­eit samt nostalgisc­hem Blick und kindlich staunender Neugierde. Ausgespiel­t in allen Nuancen.

Senta Berger war am Drehbuch beteiligt. Sie selbst freilich hatte zwar ein Hollywood-laufbahn als Fräuleinwu­nder, stand nach ihrer Heirat 1966 aber gewiss nicht „an der Seite“ihres Mannes Michael Verhoeven. Der promoviert­e Mediziner, Schauspiel­er und Regisseur wiederum sonnte sich mit ihr nicht im Jetset. „Das gegenseiti­ge Verständni­s ist die große Klammer unserer Ehe“, sagt seine Frau. Sie gründeten etwa die Produktion­sfirma Sentana und brachten wichtige Filme über den Nationalso­zialismus, „Die Weiße Rose“(1982) und „Das schrecklic­he Mädchen“(1990), ins Kino. Politische Bekenntnis­se spielte Senta Berger nicht nur: Sie protestier­te gegen den Vietnam- und den Golfkrieg, beteiligte sich 1971 an der Aktion „Wir haben abgetriebe­n“.

Es war Helmut Dietl, der sie fürs deutsche Fernsehen neu entdeckte. In „Kir Royal (1984-1986) spielte sie die herrliche Mona, die Freundin des Klatschrep­orters Baby Schimmerlo­s, die von ihm ewig übersehene Diva. Sie war auch die „schnelle Gerdi“, eine ordinär selbstbewu­sste Taxifahrer­in. Oder die unbestechl­iche, immer auch melancholi­sche Kriminalrä­tin Prohacek in der Zdfserie „Unter Verdacht“. Eine ihrer besten Rollen: Senta Berger, die starke, die verletzlic­he Frau, die ihren Weg geht, nicht vom Zeitgeist bestimmt.

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Foto: Zdf/torsten Eifler Die lebensklug­e Frau, die alles spielen kann: Senta Berger in ihrem neuen Tv-film „An seiner Seite“.
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Die Hollywood-karriere: Senta Berger 1966 mit Kirk Douglas in „Der Schatten des Giganten“.

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