Zu Besuch in Erika Theilackers Atelier
Die „Open“-künstlerin Erika Theilacker sammelt Algen, Moos und Pilze im norwegischen Meer und verwandelt sie in Schnaitheim zu Kunstwerken.
Die Schnaitheimer Künstlerin sammelt Algen, Moos und Pilze im norwegischen Meer und verwandelt sie in filigrane Kunstwerke.
Als Erika Theilacker im vergangenen Jahr in ihrer Hütte in Norwegen eintraf, musste sie feststellen, dass dort bereits jemand lebte. Ein Vogel hatte sich gewissermaßen als Verteidiger der kleinen Hütte eingenistet. „Er ist ununterbrochen gegen die Scheibe geflogen. Erst als seine Jungen das Nest verlassen hatten, hat er damit aufgehört“, erinnert sich Theilacker. Wenn die Schnaitheimer Künstlerin – so wie jedes Jahr – gemeinsam mit ihrem Mann für einige Monate die kleine Hütte unweit von Trondheim bezieht, hat sie mit derlei Gästen für gewöhnlich nicht zu kämpfen.
Im vergangenen Jahr konnte Theilacker erst später als sonst, nämlich im Juli, nach Norwegen reisen. Die Pandemie erlaubte nur Eigentumsbesitzern die Einreise; das Land sei praktisch leer gewesen. Für die Schnaitheimerin kein Störfaktor: „Wir haben uns das ganze Land einfach noch einmal neu angeschaut.“Wobei es Theilacker keinesfalls nur des Sightseeings wegen nach Norden zieht.
Kistenweise Fundstücke
Eigentlich ist es das Meer oder vielmehr, was sich im Meer verbirgt, was sie an dem Land so fasziniert. Algen, Treibholz, Pilze und Muscheln, Tierknochen, gelegentlich auch mal ein Fischkopf: Es sind diese kleinen, bizarr anmutenden Fundstücke, die Erika Theilacker trocknet und am Ende ihres Norwegen-aufenthalts kistenweise in ihr Atelier nach Schnaitheim mitnimmt.
Wer das Atelier zum ersten Mal betritt, meint mitunter, er
Ich denke, mich reizt das Vergängliche. Erika Theilacker Künstlerin aus Schnaitheim
würde sich in einem Naturkundemuseum oder auf einem kleinen Flohmarkt befinden. Akribisch sortiert und sauber aufgereiht nehmen die Meeresmitbringsel einen nicht unerheblichen Teil der Räume ein. Doch wer den Blick schweifen lässt, erkennt schnell: Hier ist eine Künstlerin zu Hause. Mittels Tusche, Grafit oder weichen Holzstiften bannt Erika Theilacker die organischen Fundstücke auf Papier. „Meine Zeichnungen werden am Ende nie ganz abstrakt. Sie zeigen immer etwas Pflanzliches, etwas Gewachsenes“, verrät Theilacker. Was lebensbejahend klingt, wirkt auf den Bilder jedoch ganz anders. „Ich denke, mich reizt das Vergängliche. Die getrockneten Algen sind ja mehr tot als lebendig – in diesem Zustand aber auch viel detaillierter“, findet Theilacker.
Wurzeln statt Algen
Als schwermütig empfindet die Künstlerin ihre Werke jedoch nicht. „Eine gute Zeichnung braucht keine Farbe mehr“, findet Theilacker. Sie zeichne gerne und gut, erzählt sie. Früher hat die Schnaitheimerin auch gemalt, hauptsächlich Menschen. Heute hat ihre Kunst immer einen realen Ursprung, orientiert sich an der Natur. „Dieses Jahr war ich noch nicht in Norwegen. Aber hier im Wald kann man ja auch nach Inspiration suchen.“Statt Algen findet Theilacker Wurzeln, statt Muscheln Waldpilze, statt Fischen Zwiebelborsten.
Für die „Open“-ausstellung, die 2020 ausfallen musste, hatte Erika Theilacker eine Wandinstallation geplant. Mehr Sammlung als Gemälde, sollten die norwegischen Fundstücke mit Nadeln auf Styropor gesteckt und so ausgestellt werden. Zuvor hatte Theilacker schon einmal eine ähnliche Installation inmitten ihrer Bilder im Kunstmuseum realisiert. „Das würde ich gerne auf der nächsten ‚Open‘ zeigen“, hofft die Künstlerin.
Ob es die in diesem Jahr geben wird, ist fraglich. In der Zwischenzeit kann eine kleine Auswahl von Erika Theilackers Werken in den Schaufenstern des Heidenheimer Feinkostimbisses Zemski’s sowie beim Schnaitheimer Optiker Kuoni betrachtet werden. „Es ist schön, dass wir Künstler durch die Schaufensteraktion die Möglichkeit haben, unsere Bilder in dieser Zeit auszustellen.“Außerdem sei es eine Gelegenheit für die „Open“-künstlerinnen und Künstler, untereinander in Verbindung zu bleiben. Die hält Erika Theilacker auch mit ihrem „Open“-kollegen Lars Maurmaier, der eigentlich in Berlin lebt. Als Medium dient dabei jedoch kein Schaufenster, sondern schlichtweg einzelne Postkarten, die sich die beiden hinund herschicken. „Der eine beginnt, der andere macht weiter. Das gehört zu den Dingen, die gerade guttun.“
Ein Video von Erika Theilacker sowie weitere Bilder aus ihrem Atelier in Schnaitheim gibt es auf hz.de