„Auswilderung ist immer das Ziel“
Seit drei Jahren päppelt Rebecca Gläss aus Magstadt verwaiste und verletzte Eichhörnchen auf. Schlaf ist seither Mangelware, doch die 27-Jährige macht den Job trotzdem gern.
Lucky sitzt oben auf dem Schrank und arbeitet sich durch seine Walnuss. Gekonnt fräst sich der Eichhörnchen-bub durch die Schale. Für Rebecca Gläss das Zeichen, dass der kleine Kerl sich selbst versorgen kann und bereit für die Freiheit ist. Die 27-jährige Frau aus Magstadt im Kreis Böblingen ist erleichtert: „Die Auswilderung ist immer das Ziel.“
Gläss engagiert sich seit drei Jahren in der Eichhörnchenhilfe Stuttgart, einem Zusammenschluss von privaten Auffangstationen rund um die Landeshauptstadt, die verletzte oder verwaiste Eichhörnchen aufnehmen und wieder fit für die Natur machen. Rund 130 Hörnchen hat sie bislang versorgt. Neben Lucky tummeln sich zum Zeitpunkt des Gesprächs 19 weitere flinke Racker in der Wohnung der jungen Frau. Ein ganzes Zimmer hat sie für die scheuen Tiere freigeräumt, in dem sie auch mal frei springen dürfen.
Zeitintensive Aufgabe
Nicht nur von Tierschutz reden, sondern selbst aktiv werden, das war die Motivation der Tierschützerin, sich in der Eichhörnchenhilfe zu engagieren. „Ich wollte außerdem schon immer gern was mit Wildtieren machen“, sagt sie. In die Versorgung der scheuen Tiere ließ sie sich Schritt für Schritt von erfahrenen Pflegern einführen. Ein Fulltime-job, den sie ohne die Hilfe ihrer Mutter und ihres Freundes gar nicht schaffen würde. Schließlich arbeitet Gläss hauptberuflich als Sozialpädagogin.
Die Eichis aber brauchen rund um die Uhr Betreuung – vor allem, wenn sie noch ganz klein sind. Alle drei Stunden muss Gläss die Zwerge mit spezieller
Babykatzenmilch füttern. Hinzu kommen Bauchmassagen für die empfindlichen Verdauungsorgane, Kuscheleinheiten sowie die Versorgung von Wunden und
Verletzungen. „Wenn ich mal fünf Stunden am Stück schlafen kann, bin ich froh“, sagt Gläss und lacht. Urlaub hat sie seit drei Jahren keinen mehr gemacht. „Mein Leben wäre ohne die Eichis sicher entspannter, aber eben auch nicht so schön.“
Die Eichhörnchen landen bei Gläss, weil sie aus Nestern gefallen sind, von Krähen attackiert wurden oder weil die Mutter nicht mehr zum Nest, dem Kobel, zurückgekehrt ist. Bis die Tiere etwa zwölf Wochen alt sind, leben sie bei ihr in der Wohnung.
Im Frühjahr herrsche oft Volierenstau, weil sie auf gute Wetterbedingungen für die Auswilderung
warten müsse, sagt Gläss. Sobald es die Temperaturen aber zulassen, kommen die Tiere in eine Freiluftvoliere auf einem angemieteten Gartengrundstück. Dort können sie sich an Umgebung und Temperaturen gewöhnen. Nach ein paar Tagen öffnet Gläss die Türen und lässt die Hörnchen frei.
Ein bittersüßer Moment für die junge Frau. „Klar schließe ich die Eichis ins Herz, aber ich freue mich dann auch sehr, wenn ich sehe, dass sie es allein schaffen.“Und die Option, die Tiere zu behalten, gebe es ja sowieso nicht.
Man muss sie nicht entwöhnen
Die junge Frau weiß um den Freiheitsund Bewegungsdrang der Wildtiere. Alles andere als die freie Natur sei nicht artgerecht. Dass eine Auswilderung nicht klappe, sei noch nie passiert. „Egal, wie anhänglich sie vorher waren, alle werden wild, man muss sie nicht entwöhnen.“
Die Geschichten ihrer Eichis teilt die 27-Jährige fleißig auf Instagram, wo die „Hoernchenfee“eine riesige Fangemeinde mit fast 15 000 Followern um sich schart. Die Plattform nutze sie vor allem zur Aufklärung. Gleichwohl sei es eine Gratwanderung. Zum einen, weil sich Laien durch die Videos und Bilder der süßen Tierchen animiert fühlen könnten, Hörnchen selbst zu pflegen, sollten sie welche finden. Da könne man aber viel falsch machen und das Leben der Tiere gefährden. Zum anderen bekomme sie viele Besuchsanfragen. „Das muss ich aber immer ablehnen. Die Eichhörnchen sind keine Attraktion.“