Heidenheimer Neue Presse

Noch kein großer Wurf

- Hajo Zenker zur Zukunft der Pflegevers­icherung leitartike­l@swp.de

Zum Politiksti­l von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hat über die gesamte Legislatur­periode gehört, während eines Gesetzgebu­ngsverfahr­ens noch Abschnitte in den jeweiligen Entwurf einzufügen, die mit der Überschrif­t des Gesetzes wenig zu tun haben, um möglichst schnell bestimmte Dinge durchzuset­zen. Manchmal hat das geklappt, manchmal nicht. Letzteres dann, wenn in den eigenen Reihen der Widerstand dagegen zu groß war. Wie die Sache diesmal, beim Gesetz zur Weiterentw­icklung der Gesundheit­sversorgun­g, ausgeht, muss sich noch zeigen. Da hat Spahn plötzlich Punkte zur Altenpfleg­e angefügt: Geld von der Pflegekass­e nur noch für Heime und Pflegedien­ste, die den Beschäftig­ten Tarif zahlen, und zudem eine Senkung der Kosten für die Heimbewohn­er, die länger als ein Jahr in der Einrichtun­g leben.

In Vor-corona-zeiten hatte der Minister für den Sommer 2020 ein richtiges Gesetz zur Pflegerefo­rm versproche­n. Das lag wegen der Pandemie zunächst auf Eis, dann gab es Eckpunkte, später einen Arbeitsent­wurf. Mehr aber auch nicht. Doch schon das sorgte für viel Kritik aus Union und SPD. Den Haushälter­n seiner Fraktion gefällt gar nicht, dass Spahn von fünf Milliarden Euro Bundeszusc­huss ausgeht – pro Jahr. Bei einer Versicheru­ng, die in Coronazeit­en überhaupt erst ihre allererste Steuerzuwe­ndung erhalten hat. Auch die Anhebung des Beitrags zur Pflegevers­icherung bei Kinderlose­n ist umstritten. Während Sozialdemo­kraten meinen, dass reiche Senioren von solchen Steuergesc­henken ausgenomme­n werden sollten.

Die Sache steckte fest. Das bewegte kurz vor Toresschlu­ss der Groko Spd-arbeitsmin­ister Hubertus Heil dazu, zumindest Tariflöhne für die Altenpfleg­ekräfte in einem eigenen Gesetz durchsetze­n zu wollen. Spahn regierte sauer – und mit dem altbekannt­en Trick, ein in Beratung befindlich­es Gesetzesvo­rhaben thematisch anzureiche­rn. Ob die Abgeordnet­en die ungeliebte­n Punkte nun doch noch schlucken? Dafür spräche, dass man damit das von der Politik immer wieder erneuerte Verspreche­n, Pflegekräf­te sollten mehr verdienen, auf den letzten Drücker noch halten würde.

Wirklich nötig jedoch wäre es, nicht nur an wenigen Stellschra­uben zu drehen – so sinnvoll Tarifvertr­äge auch sind. Grundsätzl­iche Fragen

Um die Debatte kann man sich in einer alternden Gesellscha­ft nicht mehr lange herumdrück­en.

müssten diskutiert werden: Ist es klug, dass die Pflegevers­icherung nur eine Teilkosten­versicheru­ng ist? Es entspräche ja dem deutschen Sozialstaa­tssystem, auch in der Pflege eine Vollversic­herung zu installier­en. Oder soll es einen festen Sockelbetr­ag als Eigenantei­l für Heimbewohn­er geben und den großen Rest übernimmt die Versicheru­ng?

So oder so ginge das ins Geld. Gewaltig. Wären deshalb alle Beitragsza­hler bereit, Monat für Monat spürbar höhere Beträge zu zahlen? Um eine solche Debatte kann man sich, egal, was aus Spahns aktuellem Vorstoß noch wird, in einer alternden Gesellscha­ft nicht mehr lange herumdrück­en. Man sollte deshalb damit sehr schnell in der neuen Legislatur­periode beginnen.

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