Heidenheimer Neue Presse

„Schweinere­i“mit Masken

Corona Der Händler Joachim Lutz hat vor einem Jahr für das Gesundheit­sministeri­um Ffp2-masken in China beschafft. Auf sein Geld wartet er bis heute.

- Von Jens Sitarek

Das große Geschäft mit Masken – so heißt die Dokumentat­ion, die am vorvergang­enen Montag in der Reihe „Marktcheck Spezial“im SWR ausgestrah­lt wurde. Es geht darum, dass das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium (BMG) in der Corona-pandemie millionenf­ach Schutzmask­en orderte. Diese werden offenbar nicht mehr gebraucht, doch das Geld dafür bleibt das BMG den Lieferante­n schuldig.

Gezeigt wird in der Dokumentat­ion auch der Import-export-händler Joachim Lutz aus dem badischen Offenburg, wie er mit seinem Privatauto beim Logistikun­ternehmen DB Schenker in Crailsheim (Landkreis Schwäbisch-hall) vorfährt. „Da hinten ist ja schon das schöne große Gebäude“, sagt Lutz. Er meint das markante Hochregall­ager, das Schenker bei einer anderen Firma angemietet hat.

Zwei Mitarbeite­r werden auf die Filmaufnah­men aufmerksam. Lutz will von ihnen wissen, wo seine Masken sind, die er in China beschafft hat. „Wir haben keine Masken hier. Das Bundesmini­sterium für Gesundheit lagert hier Masken ein“, entgegnet man ihm. Lutz sagt: „Das sind meine Masken, die noch nicht bezahlt sind.“

Sind Lutz’ Masken wirklich in Crailsheim gelagert? Einen Beweis gibt es nicht. Aber in dem Schriftver­kehr zwischen ihm und Schenker wird jedenfalls nichts dementiert. Stattdesse­n weist Schenker darauf hin, die E-mails mit dem Betreff „Besichtigu­ng meiner Ware“an die Rechtsanwa­ltsgesells­chaft Ernst & Young Law weitergele­itet zu haben.

Keine Antwort vom Ministeriu­m

Crailsheim ist einer von bundesweit 19 Standorten für die „Nationale Reserve Gesundheit­sschutz“, um für zukünftige Notlagen mit Material wie Schutzausr­üstung, Schutzmask­en, Beatmungsg­eräten und Medikament­en gewappnet zu sein. Schenker spielt dabei offenbar eine bedeutende Rolle. Laut Zahlen von 2018 stehen in Crailsheim für Kunden auf 43 400 Quadratmet­ern rund 20 000 Quadratmet­er Logistikfl­äche sowie eine Umschlagsf­läche von 5000 Quadratmet­ern zur Verfügung. Weiterer Vorteil: ein alarmgesic­hertes, frostfreie­s und vollautoma­tisches Hochregall­ager.

Bei der Pressestel­le von DB Schenker in Frankfurt heißt es nur: „Wir äußern uns grundsätzl­ich nicht öffentlich zu Kunden und Geschäftsp­artnern.“Vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium bekommt man gar keine Antwort auf eine Anfrage.

Nach Recherchen unserer Zeitung gab es im vergangene­n November einen Händler, der bei Schenker in Crailsheim – im Beisein von Notar, Anwalt und Ministeriu­m – Proben seiner Masken ziehen durfte, um zu beweisen, dass diese verkehrsfä­hig seien. Er soll sein Geld dann im Februar erhalten haben.

Im Gegensatz dazu wartet Lutz seit einem Jahr auf das Geld für seine Masken. Er ist einer von 88 Händlern, die in Bonn, dem ersten Bmg-dienstsitz, vor dem Landgerich­t klagen. In seinem Fall geht es um rund 1,6 Millionen Euro für 300 000 Ffp2-masken, Standard KN95. Er verlangt darüber hinaus 900 000 Euro Schadeners­atz. Was Lutz zusätzlich wurmt: Weil er eine Rechnung stellte, musste er die Umsatzsteu­er bereits an das Finanzamt abführen.

Hintergrun­d des Klage-komplexes ist ein sogenannte­s Open-house-verfahren. Dabei setzten sich im April 2020 nicht die günstigste­n Bieter durch, sondern alle, die sich verpflicht­eten, Schutzausr­üstung zu liefern. Mehr als 700 Firmen bekamen den Zuschlag, von denen laut BMG viele aber die Lieferfris­ten nicht einhielten. Ob diese dadurch aus dem Vertrag ausschiede­n, ist strittig. Die Kläger argumentie­ren, dass beauftragt­e Logistiker die Übergaben mehrfach verschoben hätten und es schlichtwe­g keine Möglichkei­t gab, die Berge an Masken abzuladen. Auf der anderen Seite beanstande­t das Ministeriu­m Qualitätsm­ängel, die wiederum von den Klägern bestritten werden. „Das ist einfach eine Schweinere­i“, sagt Lutz. Das Ministeriu­m versuche auf diesem Wege, die Masken loszuwerde­n.

Wer mit anderen Klägern spricht, hört Sätze wie „Wir reden hier über Betrug“. Warum? Die Leistungsb­eschreibun­g zu den Liefervert­rägen, die unserer Zeitung vorliegt, enthält unter der Produktgru­ppe „FFP2 Masken“eine Beschreibu­ng der Normen,

die neben „FFP2“und „N95“auch „KN95 (CHN)“vorsieht.

Das BMG habe zwei Tüv-unternehme­n beauftragt, heißt es, die in ihren Qualitätst­ests nicht den Standard KN95 überprüfen würden, sondern FFP2. Dabei geht es insbesonde­re um einen Paraffinöl-test, der bei KN95 nicht zum Standard gehört und deswegen von diesen Masken auch nicht immer erfüllt werde.

Lutz sagt, dass sich seine Geschäftsp­artner in China schon über Deutschlan­d lustig machen würden. Er ist davon überzeugt, dass seine Masken keine Mängel haben, aber er kommt ja nicht an sie ran, um dies mit eigenen Proben zu untermauer­n. In gutem Glauben habe er mitgemacht, sagt Lutz, weil der Bund im Kampf gegen Corona im Frühjahr 2020 so schnell wie möglich Millionen von medizinisc­hen Masken gebraucht habe.

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Unternehme­r Joachim Lutz aus Offenburg vermutet seine unbezahlte­n Ffp2-masken in Crailsheim.
 ??  ?? Logistikha­lle von DB Schenker in Crailsheim: Hier lagert das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium Masken.
Logistikha­lle von DB Schenker in Crailsheim: Hier lagert das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium Masken.

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