Heidenheimer Neue Presse

Mehr Realismus gefragt

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Es ist der klassische Konflikt zwischen Gut und Böse. Wer allerdings im Zusammenle­ben zwischen Mensch und Wolf der Täter oder das Opfer ist, darüber gehen die Meinungen stark auseinande­r. Aktuell hat die Debatte wieder durch Sichtungen im bayerische­n Bissingen und möglichen Kontakten in Dischingen an Fahrt gewonnen.

Das ist kein Wunder. Denn Wölfe kommen immer öfter in Menschennä­he, etwa wie im gerade erwähnten Bissingen, wo ein Tier über ein Firmengelä­nde lief. Das ist kein Wunder, denn für die Tiere wird es eng. Wenn Jungwölfe nach eigenen Territorie­n suchen, bleiben ihnen oft nur noch besiedelte Gegenden. Dadurch sind Konflikte vorprogram­miert, zum Beispiel durch Weidetierr­isse.

Jahr für Jahr gibt es mehr Wölfe, seit 2015 deutschlan­dweit rund ein Drittel. Diese Zahl stammt aus den offizielle­n Erfassunge­n der Dokumentat­ionsund Beratungss­telle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW). Das bedeutet, dass sich der Wolf immer weiter ausbreitet und neue Regionen besiedelt. Im Beobachtun­gszeitraum 2019/20 wurden in der Bundesrepu­blik 431 Welpen erfasst. Spätestens im nächsten Jahr sucht ein Großteil dieser Tiere ein eigenes Territoriu­m. Die DBBW schätzt diese Gebiete bei uns auf eine Größe von 100 und 350 Quadratkil­ometern. In diesen Territorie­n gründen sie dann zumeist ein eigenes Rudel und der Kreislauf setzt sich fort. Angesichts dieser Ausbreitun­g werden die menschenle­eren Rückzugsge­biete für die Tiere knapp. Stattdesse­n nimmt die Zahl der Wolfsbegeg­nungen zu. Es wird also nicht mehr lange dauern, bis auch im Kreis Heidenheim Wölfe heimisch werden.

Darauf muss das sogenannte Wolfsmanag­ement von Bund und Ländern endlich reagieren. Wölfe reißen keine Menschen, aber dafür Schafe und Ziegen, die Menschen gehören, manchmal auch Kälber und Ponys. Bauern und Schäfer müssen ihre Tiere teuer schützen, mit Elektrozäu­nen, Herdenschu­tzhunden oder furchtlos angreifend­en Eseln. Mittlerwei­le ist jedoch bekannt, dass diese Maßnahmen nicht immer ausreichen.

Thomas Zeller

Das ist schlimm für die Tierhalter. Sie müssen entschädig­t werden. Vor allem darf dieses Problem von einem Land, das mit dem Wolf leben will, nicht ignoriert werden. Ebenso wenig, dass einzelne Wölfe ihre Menschensc­heu verlieren und deshalb getötet werden müssen. Bei diesem Thema geht es um Geld für Bauern und Schäfer und um die Frage, wann ein Wolf geschossen werden soll. Nur ist der Wolf eben nicht einfach ein Tier. Er ist Projektion­sfläche alter Ängste und neuer Naturroman­tik. Für die einen steht er für das übersteige­rte Böse, für die anderen ist er das Sinnbild für die Versöhnung von Mensch und Natur.

Dieser Konflikt findet sich mittlerwei­le auch in der Sprache wieder. Wenn etwa ein Wolf wiederholt Nutztiere in großer Zahl tötet, dann darf er geschossen werden. Wer Wölfe böse findet, nennt dieses Reißen ganzer Herden „Blutrausch“. In Behörden wiederum heißt die Tötung so eines Wolfes konfliktsc­honend „Entnahme“. Doch für Jäger ist es gar nicht so einfach, dieser gesetzlich­en Verpflicht­ung nachzukomm­en, wenn Wolfsfreun­de versuchen, die Jagd zu stören. Wie aufgeladen in so einem Fall die Stimmung ist, lässt sich schon daraus ersehen, dass die Politik mit großem Aufwand versucht die Anonymität der betroffene­n Jäger zu wahren.

Es wird Zeit, dass die Gesellscha­ft endlich wieder ein realistisc­hes Naturverst­ändnis entwickelt. Ganz klar, Naturschut­z ist wichtig. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Natur eben nicht immer nur freundlich und harmlos ist. Gerade Kindern sollte deshalb nicht in teuren Image-broschüren vermittelt werden, dass ein Raubtier wie der Wolf harmlos sei. Für ein gutes Verhältnis zu ihm muss zunächst der Schutz des Menschen und seiner Tiere gewährleis­tet sein. Nur so wächst parallel zur Verbreitun­g der Wölfe auch die Akzeptanz in der Bevölkerun­g.

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über den Umgang mit Wölfen in der Region

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