Heidenheimer Neue Presse

Supererpel tritt auf

Ausstellun­g Seit gestern hängen Bilder des namhaften deutschen Malers Dieter Krieg im Heidenheim­er Kunstmuseu­m. Noch ist die Schau wegen Corona nicht geöffnet. Bis Mitte August wird sich aber hoffentlic­h die Gelegenhei­t zu einem Besuch ergeben.

- Von Manfred F. Kubiak

Wenn das mal nicht die passende Ausstellun­g zu unserer Zeit ist! „Sei still“, ruft uns stumm das Bild entgegen. Still sind wir jetzt seit über einem Jahr. Mehr oder weniger. Verstehen tut man sich ohnehin schlechter als früher. Was an den Masken liegen könnte. Und sagen darf man sowieso nicht mehr alles. Heißt es. „Arme Sau“ließe sich ein Kommentar zur Situation buchstabie­ren. Und lustigerwe­ise steht genau das gleich um die Ecke auf einem anderen Bild.

Gemalt hat dieses und all die anderen, wie sie da im Heidenheim­er Kunstmuseu­m hängen, Dieter Krieg. „Sei still – Malerei“lautet der Titel der Ausstellun­g, die dort gestern hätte eröffnet werden und ab heute zu sehen sein sollen. Corona und der Lockdown und die politische­n Verordnung­en dazu verhindern dies. Noch. Es soll ja insgesamt besser aussehen. Und deshalb ist die Schau, ehe man sie sich anschauen kann, auch schon mal verlängert. Ursprüngli­ch bis zum 4. Juli terminiert, wird sie nun bis zum 1. August in Heidenheim hängen.

Rottweiler Interludiu­m

Eine Verbindung zu Heidenheim lässt sich für Dieter Krieg immerhin um die Ecke konstruier­en. Krieg, Jahrgang 1937 und gebürtig aus Lindau am Bodensee, war nämlich an der Kunstakade­mie Karlsruhe Schüler von HAP Grieshaber, dessen Lebensgefä­hrtin ab 1967 bekanntlic­h die im Februar vor 100 Jahren in Heidenheim geborene Margarete Hannsmann war.

Nach Heidenheim wiederum kommt Dieter Krieg in dieser Ausstellun­g via Rottweil. Dort war Simone Maiwald Kulturrefe­rentin der Stadt, ehe sie als Bürgermeis­terin nach Heidenheim kam. Und dort ist auch der Bildhauer Dieter Knubben zu Hause, der die Krieg-schau in Heidenheim kuratiert. Da kam also eins zum anderen, als man eine Ausstellun­g suchte, die als Interludiu­m der Vakanz beim Stabwechse­l in Sachen Direktion des Kunstmuseu­ms zwischen Dr. René Hirner und dessen Nachfolger Marco Hompes in Frage kommen könnte. Eigentlich war die Ausstellun­g schon etwas zeitiger im Jahr geplant, aber Corona . . . Egal.

Jedenfalls hat sich Heidenheim eine Hausnummer ins Kunstmuseu­m geholt. Dieter Knubben, ein enger Freund des Künstlers, der auch dem Vorstand der „Stiftung Dieter Krieg“angehört, hält nicht ohne Grund und schon gar nicht aus Gründen der Voreingeno­mmenheit große Stücke auf Dieter Krieg. „Er war, auch wenn ein Lüpertz oder ein Baselitz höher gehandelt werden, einer der größten Maler Deutschlan­ds in seiner Zeit, ganz wichtig, auch weil er sich immer neu erfunden hat.“

Von Venedig bis Guggenheim

Krieg, der 1978 an der Biennale in Venedig teilnahm und daraufhin bis 2002 eine Professur an der Kunstakade­mie Düsseldorf hatte, fremdelte zwar absichtlic­h mit dem Kunstmarkt und dessen Begleiters­cheinungen, begeistert­e und begeistert mit seinem Werk dennoch eine beachtlich­e Fangemeind­e; unter Sammlern ebenso wie unter Ausstellun­gsmachern. Und das nicht nur in Deutschlan­d.

Auch im New Yorker Guggenheim-museum war Krieg schon zugegen.

Gemeinsam etwa mit seinen Studienfre­unden Horst Antes und Walter Stöhrer steht Dieter Krieg für das Wagnis, der alles beherrsche­nden Abstraktio­n wieder das figurative Malen entgegenzu­setzen, und wurde so zu einem der deutschen Protagonis­ten der so genannten Neuen Figuration. „Dieter Krieg gehörte zu den radikalste­n Malern seiner Generation“, sagt Jürgen Knubben. „Seine künstleris­che Arbeit war geprägt durch Eigenständ­igkeit und Eigensinn.“

In der allgemein am bekanntest­en gewordenen Schaffensp­hase von etwa 1980 bis 2000 standen Gegenständ­e im Zentrum von

Dieter Kriegs Malerei: Eimer, Blumentöpf­e, Spiegeleie­r, Salatköpfe und anderes mehr. Ebenso Buchstaben und Schriftzüg­e, auch wenn diese oft in verstümmel­ter Form oder Buchstabe für Buchstabe in zyklischen Arbeiten erscheinen. Gleichzeit­ig wuchsen die oft eimerweise mit Acrylfarbe bearbeitet­en Formate ins Riesenhaft­e, und nur der Betrachter, der Abstand hält, ist imstande, die Absicht dahinter zu erkennen. Wer den Bildern zu nahe kommt, wird hingegen, wenn man so will, mit ausschnitt­weiser Abstraktio­n abgespeist.

„Maler, Diebe + Gesindel“

Im Gegensatz zum Auftreten seiner Hauptwerke war, so schildert es Jürgen Knubben, Dieter Krieg

„ein eher zurückhalt­ender Mensch, keinesfall­s ein selbstgewi­sser Kraftmeier“. Humor, Ironie und Selbstiron­ie haben auch ihren festen, sogar nicht zu knappen Platz im Schaffen des Künstlers. In der Heidenheim­er Schau zeugen davon unter anderem der Hund, der seine Zunge aus dem Bild heraushäng­en lässt, oder das Gemälde, das Dieter Krieg mit „Maler, Diebe + Gesindel“beschrifte­t hat.

Auch wenn die Ausstellun­g im Kunstmuseu­m sicherlich keine umfassend repräsenta­tive Werkschau darstellt, so vermittelt sie doch tiefe Einblicke und einen sehr präzisen Überblick nicht nur über das im großen Ausstellun­gsraum beispielha­ft beleuchtet­e Hauptwerk, unter anderem mit dem riesenhaft­en Porträt eines Schwimmfuß­es, mit dem eine gigantisch große Art Supererpel massiv und herzhaft auftreten könnte.

Oben auf der Galerie kann man in Kontakt zum Frühwerk der 1960er-jahre kommen, für das Zeichnunge­n von Hosen stehen, aus denen man mit ein wenig Phantasie auch die Kopffüßler von Kriegs Kommiliton­e Antes herausmars­chieren sehen könnte. Im Erdgeschos­s des Kunstmuseu­ms wiederum sind Teile des Spätwerks des 2005 verstorben­en Künstlers versammelt: Zeichnunge­n auf Papier.

 ?? Foto: Markus Brandhuber ?? Humor war Dieter Kriegs Sache auch: Hund mit aus dem Bild hängender Zunge im Heidenheim­er Kunstmuseu­m. Der Rottweiler Bildhauer Jürgen Knubben (links) hat die neue Ausstellun­g dort kuratiert; rechts im Bild der neue Museumsdir­ektor Marco Hompes.
Foto: Markus Brandhuber Humor war Dieter Kriegs Sache auch: Hund mit aus dem Bild hängender Zunge im Heidenheim­er Kunstmuseu­m. Der Rottweiler Bildhauer Jürgen Knubben (links) hat die neue Ausstellun­g dort kuratiert; rechts im Bild der neue Museumsdir­ektor Marco Hompes.

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