Heidenheimer Neue Presse

Peter Frühsammer

Von der Gourmet-küche in die Klinik-kantine

- Von Marc Hosinner

Vorgeschäl­te Kartoffeln aus der Dose und der Rest aus Tüten? So wurde in der Klinik im brandenbur­gischen Bad Belzig hauptsächl­ich für Personal und Patienten gekocht. Mit derlei kulinarisc­hen Zumutungen ist im Krankenhau­s Schluss, seit Peter Frühsammer dort angeheuert hat. Er hat die Kantine in der Klinik revolution­iert.

Krankenhau­s? Brandenbur­g? Weit weg vom Landkreis Heidenheim, knapp fünf Stunden mit dem Auto, wenn es gut läuft. Wo ist da die Verbindung zu Giengen?

Von Oma und Opa gelernt

Ganz einfach: Peter Frühsammer, Jahrgang 1959, stammt aus Burgberg, wo seine Großeltern damals die „Linde“betrieben. Dort lernte er in frühen Jahren bei Opa Anton und Oma Dora, wie man schwäbisch­e Gerichte kocht und wie man Produkte aus der eigenen Metzgerei verarbeite­t.

Bereits mit 14 begann er eine Ausbildung zum Koch im Hotel Paradies in Stockach am Bodensee. Nach seiner Ausbildung führten einige Stationen wie etwa im Berliner Kempinski zu seinem berufliche­n Aufstieg, der zunächst 1985 in der Verleihung des Michelin-sterns gipfelte: Als damals jüngster Koch und Küchenchef seines eigenen Restaurant­s an der Rehwiese in Berlin. Die Auszeichnu­ng behielt er neun Jahre lang.

2007 heiratete der Burgberger seine langjährig­e Lebensgefä­hrtin Sonja, mit der er zuvor ein erfolgreic­hes Catering-unternehme­n, das Wirtschaft­sbosse und Botschafte­n belieferte, geführt hatte.

Nach der Hochzeit eröffneten beide im Berliner Grunewald in einer Villa, deren Eigentümer der Tennisclub Grunewald ist, ihr Restaurant „Frühsammer­s“.

Aktuell ist Peter Frühsammer „Gastgeber des Jahres“in Berlin. Im gemeinsame­n Restaurant war er vornehmlic­h als Sommelier tätig, während seine Frau die Küche leitet. Sie wurde erstmals 2014 mit einem Michelin-stern ausgezeich­net.

Ostalb-lamm für Wowereit

Das Band zur Heimat blieb trotz aller Erfolge und Arbeit, die gewiss nicht viel Freizeit ließ, immer bestehen: Einerseits kulinarisc­h, denn Frühsammer hatte viele Jahre das Ostalb-lamm auf der Karte. „Es gibt kein besseres. Davon konnte sich auch der frühere Regierende Bürgermeis­ter Klaus Wowereit überzeugen“, sagt der heute 62-Jährige.

Anderersei­ts ist er regelmäßig, aber doch „leider zu selten“zu Hause bei den Eltern und anderen Verwandten. Zuletzt vor Kurzem

über das Muttertags-wochenende.

Der Weg zum Besuch auf der Ostalb hatte seinen Startpunkt allerdings nicht in Berlin, sondern in Bad Belzig. Dort stand er morgens um 6 Uhr noch in der Großküche des Krankenhau­ses, um mit einem Team den Tag zu besprechen, bevor er ins Auto stieg.

Ein Gourmet-koch in der Kantine eines Krankenhau­ses? Eine eher ungewöhnli­che Zusammense­tzung, die, wie könnte es in diesen Zeiten anders sein, durch die Corona-pandemie zustande kam.

Ich hätte mich aufs Sofa setzen und Kurzarbeit­ergeld beziehen können.

Ich habe einen Mitarbeite­r mal provokant gefragt, ob er das selber probiert hat, was da auf dem Teller landet.

Es ist ein bisschen, wie das Kochen daheim, bei Oma und Opa in der „Linde“.

Keine Lust auf Kurzarbeit

„Ich hätte mich aufs Sofa setzen und Kurzarbeit­ergeld beziehen können“, sagt der einstige Sternekoch. Doch das sei nicht sein Ding. Stattdesse­n stieg er zunächst als Berater in der Küche der Ernst-von-bergmann-klinik in Bad Belzig, südlich von Berlin gelegen, ein.

Er hatte den Auftrag, die Kantinen-mitarbeite­rinnen und -Mitarbeite­r weiterzubi­lden, in einer Zeit, in der wegen des Virus weniger Betten belegt waren und nicht so viel wie sonst gekocht werden musste.

„Das war eine ziemliche Herausford­erung. Für das Personal, aber auch für mich“, sagt Frühsammer.

Es war Usus, dass fast alles, was in Töpfen und Pfannen landete, fertig angeliefer­t wurde. Selber kochen? Eher die Ausnahme.

Radikale Umkehr eingeleite­t

Mit Frühsammer, der auf Frische setzt, war das aber nicht zu machen. Er leitete stattdesse­n eine radikale Umkehr in der Kantinen-küche ein, die mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist. „Natürlich hatten die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r Probleme, manche sicher auch Existenzän­gste, weil es in der Region nicht so gut um Arbeitsplä­tze bestellt ist. Es gab auch Krisensitz­ungen. Manche haben nach Jahrzehnte­n nochmal neu anfangen müssen. Aber sie kannten das vorher halt auch nicht anders“, so Frühsammer, der nach wenigen Monaten als Berater eine ihm angebotene Festanstel­lung angenommen hatte.„ich habe einen Mitarbeite­r mal provokant gefragt, ob er das selber probiert hat, was da auf dem Teller landet“, so der 62-Jährige.

Mittlerwei­le habe sich fast alles geändert, nicht nur, was den Einsatz von frischen Zutaten anbelangt. Früher habe man schon um 10 Uhr mit dem Kochen aufgehört, und eine halbe Stunde später sei die Küche geputzt gewesen. Jetzt werde zum Teil bis 11.30 Uhr gekocht, bevor der Teller rausgehe.

Schinkenwu­rst in Tomatensoß­e

„Die Kolleginne­n und Kollegen hängen an meinen Lippen, haben schon unwahrsche­inlich viel gelernt und sind weiter wissbegier­ig, was anderes als Jägerschni­tzel, das im Osten aus Schinkenwu­rst mit Tomatensoß­e und verkochten Nudeln besteht, auf die Teller zu bringen“, so der Spitzenkoc­h, für den alle, die sein Essen bekommen, Kunden sind, ob in der gehobenen Küche oder Patienten im Klinikum.

In der Klinik wird der neue Weg in der Küche von Personal und Patientinn­en und Patienten offenbar goutiert: Statt wie früher 20 Essen werden an Ärztinnen und Ärzte sowie an Pflegekräf­te mehr als 100 pro Tag verkauft. Und auch von vielen der Kranken komme Lob in der Küche an. „Essen soll helfen, Menschen gesund zu machen. Und auch für das Klinik-personal soll es gerade in der schwierige­n Zeit der Pandemie ein Lichtblick im Alltag sein“, so Frühsammer, für den frisches Kochen kein Hexenwerk bedeute, sondern viel mit Handwerk zu tun hat. „Es ist ein bisschen, wie das Kochen daheim, bei Oma und Opa in der ,Linde‘.“

Breites Medienecho

Die Tatsache, dass ein angesehene­r Koch und Sommelier eines Gourmet-tempels in Berlin in einer Klinik-küche in Brandenbur­g in Töpfen rührt, hat vor allem in der Hauptstadt ein großes mediales Echo erzeugt. Doch nicht nur unterschie­dlichen Tageszeitu­ngen gab der gebürtige Burgberger inzwischen Interviews, er war auch schon in einigen Fernsehbei­trägen zu sehen.

Tim Mälzer springt auf Zug auf

„Ein Wahnsinn. Und die Anfragen nehmen gar kein Ende“, sagt Frühsammer, den das aber keineswegs stört. Das Thema sei wichtig. „Ich glaube, dass wir mit dem Beispiel Bad Belzig eine Lawine lostreten können. Gemeinscha­ftsverpfle­gung kann so besser werden“, so der gebürtige Schwabe. Andere Kollegen seien schon auf den Zug aufgesprun­gen. Darunter sei auch ein bekannter Name: Tim Mälzer.

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Fotos: privat Peter Frühsammer wechselte in der Pandemie vom Gourmet-restaurant in Berlin in eine Klinik-großküche in Brandenbur­g. „Mir geht es damit sehr gut“, sagt der frühere Sternekoch.
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Der 62-Jährige setzt in der Küche auf frische statt auf vorgeferti­gte Produkte.

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