Heidenheimer Neue Presse

Von Schmähunge­n zum Dialog

Antisemiti­smus Hass auf Juden ist kein Thema der Vergangenh­eit. Auch Kirchen haben lange Zeit diese Haltung geschürt.

- Elisabeth Zoll

Frankfurt/main. Brennende Israelfahn­en, antijüdisc­he Parolen: Der Antisemiti­smus in Deutschlan­d ist tief verankert und leicht abrufbar. Lange Zeit auch in den Kirchen. „In früheren Jahren wurde Judenhass noch von den Kanzeln in den Kirchen gepredigt“, sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrat­es der Juden, beim 3. Ökumenisch­en Kirchentag in Frankfurt. Das sei in den Köpfen vieler älterer Menschen gespeicher­t. Sie vererben es an die jüngere Generation.

Christen und Juden verbindet über die Jahrhunder­te eine problemati­sche Beziehung. „Gottesmörd­er“, „Jesusmörde­r“tönte es nicht erst während des Nationalso­zialismus von vielen Kanzeln. Juden wurden geschmäht, etwa in der Luther-übersetzun­g der Bibel. Die Kirchen hätten sich gewandelt, sagt Schuster. Vor allem an der Kirchenspi­tze. Sorgen bereitet ihm, was in Gemeinden vor Ort noch verbreitet wird.

„Schaut hin“lautet das Motto des überwiegen­d digitalen Kirchentag­es,

der von Frankfurt aus gesteuert wird. Die Mainmetrop­ole ist für das christlich-jüdische Miteinande­r ein guter Ort. Keine andere Großstadt ist so jüdisch wie Frankfurt. Rund 7000 Mitglieder zählen die jüdischen Gemeinden. Kultur, Wirtschaft und Politik werden von jüdischen Bürgern mitgestalt­et, erläutert OB Peter Feldmann, selbst jüdischen Glaubens. Doch klappt damit auch das Miteinande­r? Nicht immer. Auch in Frankfurt werde die Schoa von einigen Bürgern relativier­t und die jüdische Erinnerung­skultur abgewertet. Feldmann: „Rechtsradi­kalismus und Antisemiti­smus sind die größten politische­n Bedrohunge­n unserer Zeit.“ Bildung und Begegnung

Josef Schuster besorgt derweil der Antisemiti­smus, der bei Anti-corona Demonstrat­ionen sichtbar wird. Da werden Judenstern­e durch die Straßen getragen. Manch ein Redner stilisiert sich zum „Widerstand­skämpfer“und schmäht damit jene, die für ihren

Protest ihr Leben riskierten. Durch antisemiti­sche Verschwöru­ngsmythen sei der Hass auf Juden leicht abrufbar, betont Marina Chernivsky vom Kompetenzz­entrum für Prävention und Empowermen­t in Berlin. Nicht nur in Deutschlan­d. Europaweit steigen die Zahlen antisemiti­scher Hassverbre­chen. Das weiß Katharina von Schnürbein, Antisemiti­smusbeauft­ragte der EU. Befeuert auch von sozialen Netzwerken, in denen bisher straflos verbreitet wird, was offline Anlass für Strafermit­tlungen ist.

Doch was tun gegen Judenhass. Josef Schuster: „Kein Kind wird als Antisemit geboren.“Der Zentralrat­spräsident setzt auf Bildung schon im Vorschulal­ter und auf persönlich­e Begegnunge­n. Und auf einen offenen Austausch über neuen Antisemiti­smus in Schulen. Viel zu oft noch bleibe es bei einem historisch­en Verständni­s von Antisemiti­smus. Doch dieser ist in der Gegenwart präsent. Davon zeugen brennende Fahnen.

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