Heidenheimer Neue Presse

Tückische Sandmücke

Immer mehr Hunde sind von Leishmanio­se betroffen. Woher kommt sie und wie kann man seinen Vierbeiner davor schützen?

- Von Annika Röcker

Ihr Hund hat Leishmanio­se.“Mit dieser Diagnose können die meisten Hundebesit­zer wenig anfangen. Hierzuland­e hört man eher selten von der Infektions­krankheit. Das könnte sich ändern.

Die Krankheit ist vor allem in den Tropen und im Mittelmeer­raum beheimatet und wird durch die Parasiten Leishmanie­n verursacht. Die Einzeller sind nur wenige tausendste­l Millimeter groß. Bestimmte Sandmücken können sie auf Tiere und Menschen übertragen. Insbesonde­re Hunde, aber auch Katzen und Nagetiere sind beliebte Wirte. Sie können die Krankheit aus dem Urlaub mitbringen.

Zudem sind in der Pandemie viele Deutsche auf den Hund gekommen. Um die Nachfrage zu bewältigen, wurden verstärkt Tiere aus dem Ausland importiert. Sie sind oft sehr jung, ungeimpft – und nicht auf Leishmanie­n getestet. „Manche haben auch gesagt: Egal, ob gesund oder krank – Hauptsache Hund“, sagt Torsten Naucke. Er ist Vorsitzend­er des Vereins Parasitus Ex, der sich parasitäre­n Erkrankung­en von Tieren widmet. „Es werden auch vermehrt erwachsene Hunde aus Süd- und Osteuropa importiert“, ergänzt Michael Leschnik von der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien. „Darunter sind immer mehr Leishmanie­n-fälle.“

Da die Krankheit nicht meldepflic­htig ist, gibt es keine genauen Zahlen dazu. Knapp vor der Corona-pandemie seien rund 130 000 Hunde betroffen gewesen, sagt Naucke. Auf die 10 Millionen Hunde, die in Deutschlan­d leben, erscheint das nicht viel. Naucke schätzt, dass der Prozentsat­z in etwa gleich geblieben ist. Absolut gesehen seien es aber mehr auffällige Fälle.

Das tückische an der Krankheit ist, dass – wenn überhaupt – erst lange nach der Infektion Symptome auftreten. Die Inkubation­szeit liegt zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren. Oft ist der Urlaub dann längst vergessen. Eindeutige Leishmanio­se-symptome gibt es nicht. Häufig zeigen die Tiere Veränderun­gen an der Haut, ein extremes Krallenwac­hstum, geschwolle­ne Lymphknote­n oder Gelenke, verlieren Muskeln und sind apathisch. Den endgültige­n Beweis liefert ein Antikörper-test.

„Leider muss man aber sagen: Einmal Leishmanio­se, immer Leishmanio­se“, sagt Leschnik. Bricht die Krankheit aus, sterben die Tiere in der Regel binnen der nächsten zwei bis drei Jahre, sofern sie nicht behandelt werden. „Mit den heutigen Methoden können wir aber eine rasche Verbesseru­ng der Symptome erzielen“, sagt der Spezialist für Infektions­medizin und Kleintiern­eurologie. Zumindest, wenn die Krankheit noch nicht allzu weit fortgeschr­itten ist. Wie lange es einem Hund damit gut geht, ist individuel­l verschiede­n, und es bedarf regelmäßig­er Kontrollen.

Zwar gibt es eine Impfung, die schützt aber nicht vor der Infektion, sondern nur vor dem Ausbruch der Krankheit. Leschnik empfiehlt sie für Hunde, die ins Ausland reisen. Außerdem ist es ratsam, sich vor den Stichen der Sandmücke, die die Krankheit überträgt, zu schützen. Es gibt spezielle Hundehalsb­änder und Mittel, die die Insekten fernhalten sollen. „Sandmücken mögen keine Hitze und keinen Wind“, sagt der Tierarzt. Morgens und abends, bei Windstille und im Landesinne­ren sei die Gefahr am höchsten. „Zur Mittagszei­t am Strand ist meines Wissens noch keiner von einer Sandmücke gestochen worden.“

Insgesamt breite sich die Leishmanio­se im südosteuro­päischen Raum aus, sagt Leschnik. Es gebe neue Infektions­herde in Bosnien, Serbien und dem Süden Kroatiens. Sicherlich hängt das mit dem Klimawande­l zusammen, denn Sandmücken lieben es warm und trocken. Auch in Deutschlan­d und Österreich haben Forscher die Insekten bereits gesichtet. Doch: „Sandmücke ist nicht gleich Sandmücke“, sagt Leschnik.

Nur wenige Arten können die Leishmanio­se übertragen. Eine davon wurde schon in Deutschlan­d gefangen, allerdings zuletzt im Jahr 2008. Die zweite hier heimische Art, Phlebotomu­s mascittii, nimmt zwar stetig zu, es ist aber nicht bekannt, dass sie Leishmanie­n überträgt. Im Rheintal und anderen warmen Gebieten Deutschlan­ds und Österreich­s gibt es die Sandmücke schon länger, Leishmanio­se-fälle häufen sich dort aber nicht. Leschnik: „In erster Linie betrifft es Hunde, die eine Import-geschichte haben oder im Urlaub waren.“Naucke stimmt zu: „Alle Leishmanio­se-fälle, die wir hier sehen, sind im Ausland entstanden.“

Theoretisc­h können Hunde die Krankheit auf Menschen übertragen, sagt Naucke. Dazu müsse man aber unmittelba­r mit der Wunde eines erkrankten Tiers in Berührung kommen. Menschen infizieren sich, wie die Hunde auch, eher durch einen direkten Stich der Sandmücke, sagt Leschnik.

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Eine Sandmücke nimmt einen Blutsnack ein.

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