Heidenheimer Neue Presse

Bully und der schwule Winnetouch

Ist deutscher Humor nur dann erfolgreic­h, wenn er sich über Minderheit­en lustig macht? Vor 20 Jahren kam Michael Herbigs Karl-may-parodie „Der Schuh des Manitu“in die Kinos.

- Gregor Tholl

Es war vor 20 Jahren – zwei Monate vor dem 11. September und gut einen Monat nach Klaus Wowereits „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“. Am 19. Juli 2001 kam „Der Schuh des Manitu“in die Kinos. Michael „Bully“Herbigs Persiflage auf die alten Winnetou-filme löste damals mit 11,7 Millionen Besuchern die 80er-jahre-komödie „Otto – Der Film“als erfolgreic­hsten bundesdeut­schen Nachkriegs­kinostreif­en ab.

Eine Westernkla­motte, mit Klischees überfracht­et, die aber im kompletten Nonsens wieder aufgelöst werden: In dem Film geht es um die beiden zu Unrecht des Mordes beschuldig­ten Blutsbrüde­r Abahachi (Herbig) und Ranger (Christian Tramitz). Die Abbilder der legendären Blutsbrüde­r Winnetou und Old Shatterhan­d sprechen einen sehr speziellen Südstaaten­dialekt: Bairisch. Sie suchen nach einer Schatzkart­e für einen Edelstein, der ihnen helfen könnte, sich freizukauf­en. Doch der wahre Mörder, Gangsterbo­ss Santa Maria (Sky du Mont), ist auf ihren Fersen. Und dann ist da noch der bislang verschwieg­ene schwule Abahachi-zwillingsb­ruder Winnetouch, der auf der „Puder Rosa Ranch“eine Schönheits­farm betreibt und in die Jagd nach dem Schatz hineingezo­gen wird.

Klischee kultiviert?

An dieser Figur übt der Autor Johannes Kram Kritik. In seinem Buch „Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber... – Die schrecklic­h nette Homophobie in der Mitte der Gesellscha­ft“wirft er dem Film vor, Klischees kultiviert und lange dafür gesorgt zu haben, dass queere Belange nicht ernst genommen wurden. „Deutschlan­d kann endlich über sich selber lachen, bildete es sich damals ein. Dabei lachte es vor allem über Homosexuel­le, besser gesagt tuntige Schwule.“Wer das aber sage, gelte als Spielverde­rber.

Kram sieht beim „Schuh des Manitu“humortechn­isch „eine Renaissanc­e des Schenkelkl­opferspaße­s der Wirtschaft­swunderzei­t“. Bullys Tuntenparo­dien seien im Gegensatz zu anderen Schwulenwi­tzen rund um das Jahr 2000 – etwa von Stefan Raab oder Oliver Pocher – oft fein beobachtet und gekonnt gespielt. Dennoch dränge sich der Verdacht auf, dass man in der damals rot-grünen Republik mit der neuen Eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft für Lesben und Schwule irgendwie erwartete, dass die Homos nun zufrieden sein müssten und gefälligst bei ihrer Lächerlich­machung mitlachen sollten.

Randnotiz: Während Bully Herbigs Tuntenkomi­k 2001 Lieblingss­paß der Deutschen war, hatten die Niederland­e schon die vollwertig­e Ehe für Frauenpaar­e und Männerpaar­e eingeführt. Deutschlan­d brauchte dafür noch 16 Jahre.

Angesproch­en auf solche Kritik sagte Herbig 2015 dem „Zeit“-magazin: „Wir würden es genau so wieder machen.“Man lache die Tunten nicht aus. „Ich habe mir das ja nicht ausgedacht, sondern abgeguckt.“Schwule Freunde hätten Tränen gelacht, sich weggeschmi­ssen.

Fünf Jahre später reagierte Herbig 2020 in einem dpa-interview schon anders: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Film heute nochmal so machen würde, weil man sich selber auch verändert hat.“Und zur Frage, ob man Schwule parodieren dürfe: „Wir arbeiten in einer Branche, in der man ständig mit schwulen Kollegen zu tun hat.“Man möge sich. „Wenn da jemals einer gekommen wäre und uns gesagt hätte, ihr tut uns weh damit, hätten wir sofort die Finger davon gelassen.“

Die ganze Debatte sticht ins Wespennest politische­r Korrekthei­t. Kram kontert jedoch, er wolle gar nicht Spaßpolize­i spielen. Natürlich dürfe man auch über Homosexuel­le lachen. „Und natürlich kann Humor nicht gerecht sein, er muss inkorrekt sein, überzeichn­en, Klischees strapazier­en.“Doch ob Lustiges etwa schwulenfe­indlich sei, sehe man simpel daran, ob es abwerte. „Auch wenn man ihn wie Bully charmant findet, den dummen Homo. Wenn es der dumme Homo ist, weil er dumm ist, weil er homo ist: Dann ist es Homophobie.“

Bleibt die Frage: Ist deutscher Humor nur dann erfolgreic­h, wenn er sich über Minderheit­en wie Schwule oder auch Schwarze lustig macht?

 ??  ?? Erfolgreic­h auch als Musical: Michael „Bully“Herbig (links) und Mathias Schlung als Abahachi posieren 2008 für „Der Schuh des Manitu“.
Erfolgreic­h auch als Musical: Michael „Bully“Herbig (links) und Mathias Schlung als Abahachi posieren 2008 für „Der Schuh des Manitu“.

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