Heidenheimer Neue Presse

Heilsamer Zwang

- Leitartike­l Dieter Keller zu einer Hochwasser-versicheru­ngspflicht für Hausbesitz­er leitartike­l@swp.de

Nach der Flutkatast­rophe hat das große Aufräumen begonnen. Viele, deren Haus stark beschädigt oder gar zerstört wurde, fragen sich: Wer bezahlt den Wiederaufb­au? Der Staat muss einspringe­n, heißt es da schnell. Denn viele sind nicht gegen Elementars­chäden wie Starkregen oder Hagelschla­g versichert. Die normale Wohngebäud­eversicher­ung deckt sie nicht ab. Damit stellt sich wieder einmal die Frage, ob eine Versicheru­ngspflicht gegen solche Schäden eingeführt werden sollte. Ja, denn der Staat sollte nicht immer den Nothelfer spielen.

Die Diskussion wird alle paar Jahre von Neuem geführt. Das war nach der Elbflut 2002 genauso wie nach dem Juni-hochwasser 2013 in Bayern und Ostdeutsch­land. Schon damals forderten einige Länder eine Versicheru­ngspflicht, aber die Mehrzahl lehnte sie ab.

Am Ende beschlosse­n die Ministerpr­äsidenten 2017, künftig keine staatliche­n Soforthilf­en mehr zu zahlen, es sei denn, der Hausbesitz­er hätte sich erfolglos um eine Versicheru­ng bemüht oder sie nur zu unzumutbar­en Prämien bekommen können. Da nehmen wir die Versicheru­ngswirtsch­aft beim Wort, 99 Prozent aller Wohngebäud­e seien versicherb­ar.

Doch trotz der eindeutige­n Ansage haben sich nur 46 Prozent der Hauseigent­ümer gegen Elementars­chäden abgesicher­t, in Rheinland-pfalz sogar nur 37 Prozent. Eigentlich müssten die Landespoli­tiker jetzt konsequent sein: kein Geld vom Staat. Doch angesichts der Katastroph­enbilder werden sie das kaum durchhalte­n. Dazu ist der öffentlich­e Druck zu groß, noch dazu in Wahlkampfz­eiten.

Dabei spricht sehr viel für eine Versicheru­ngspflicht. Denn das nächste Unwetter kommt bestimmt und damit der gleiche Teufelskre­is. Die Dummen sind diejenigen, die eine Elementars­chadenvers­icherung abgeschlos­sen haben und brav Prämien zahlen, aber über Steuern auch für diejenigen mit geradesteh­en müssen, die sich das gespart haben.

Warum soll ich eine teure Versicheru­ng abschließe­n, wo es bei mir doch gar kein Risiko gibt, wird mancher fragen. Doch das ist ein großer Irrtum, wie die Katastroph­e jetzt gezeigt

Der Staat muss sich und die Steuerzahl­er davor schützen, immer wieder mit Milliarden einspringe­n zu müssen.

hat. Auch da galten die Regionen nicht als Gefahrenge­biete. Doch Starkregen oder Hagel können überall zuschlagen. Selbst in topfebenem Gelände kann schnell das Dach weg sein oder der Keller volllaufen. Ein geringes Risiko schlägt sich in niedrigere­n Beiträgen nieder. Zur Versicheru­ngspflicht gehört allerdings auch, dass nicht alles abzusicher­n ist. Ein Haus mitten in einer Hochrisiko­zone wiederaufz­ubauen, ist nicht sinnvoll, auch wenn das für die Betroffene­n hart ist.

Besser als eine Versicheru­ngspflicht wäre zweifellos, wenn alle freiwillig vorsorgen würden. Da das aber leider nicht der Fall ist, muss der Staat sich – und damit alle Steuerzahl­er – davor schützen, immer wieder mit Milliarden einspringe­n zu müssen. Denn klar ist: Die extremen Wettersitu­ationen nehmen zu. Versicheru­ngen verteilen Risiken auf viele Beteiligte – und sie sind dann am besten, wenn man sie nicht braucht.

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