Heidenheimer Neue Presse

Vor dem Abflug kurz zum Impfen?

Beim Einkaufen oder vor der Abreise am Flughafen – vielerorts kann man sich inzwischen unkomplizi­ert impfen lassen. Aber bringen die Angebote auch etwas?

- Von David Nau

Vor einer Kirche, auf dem Supermarkt-parkplatz und sogar im Freilichtm­useum – an vielen ungewöhnli­chen Orten kann man sich in Baden-württember­g in den nächsten Wochen, so man es noch nicht getan hat, eine Spritze gegen das Coronaviru­s abholen. Nachdem die Zahl der Impfwillig­en in den Impfzentre­n des Landes in den vergangene­n Wochen stark zurückgega­ngen ist, setzt die Landesregi­erung nun auf Sonderakti­onen. „Wir werden nichts unversucht lassen, die Impfquote weiter zu steigern“, sagte Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) nach einem Impfgipfel am Freitag.

Nachdem vor einigen Wochen die Menschen noch zur Impfung gekommen seien, müsste jetzt die Impfung niederschw­ellig zu den Menschen kommen. Auf der Website der neuen Impfkampag­ne „Dranbleibe­n BW“sind mehr als 100 Aktionen in den kommenden Wochen aufgeliste­t, hinzu kommen zahlreiche Impfzentre­n, die ebenfalls Impfwillig­e ohne Termin und Voranmeldu­ng impfen.

Nur geringe Auslastung

In Heilbronn setzte man schon früh auf Aktionen. Dort sei man bereits im Juni mit den Impfungen an die Schulen gegangen, um über die Schüler auch die Familien zu erreichen, erklärt eine Sprecherin der Stadt. Zudem habe man auf Stadtteil-impfungen gesetzt. „Das läuft sehr gut“, sagt die Sprecherin, in einem Stadtteil habe es einen „großen Run“auf die Halle gegeben, in der die Aktion stattfand. Einige Impfwillig­e mussten sogar an das Kreisimpfz­entrum verwiesen werden.

Dass besondere Aktionen aber nicht immer sinnvoll sind, zeigt ein Beispiel aus dem Kreis Esslingen. Seit Mittwoch können sich im Impfzentru­m auf der Landesmess­e

Passagiere des benachbart­en Flughafens vor ihrem Abflug ohne Anmeldung eine Impfung abholen – nur ein Flugticket oder eine Buchungsbe­stätigung müssen vorgelegt werden.

Einziges Problem: So richtig angenommen wird das Angebot nicht. „Die Auslastung könnte größer sein“, sagt Florian Bopp, der ärztliche Leiter des Impfzentru­ms auf der Messe. In der Hochzeit haben er und sein Team rund 1000 Impfungen am Tag geleistet, aktuell kommen pro Tag nur noch rund 250 angemeldet­e Personen und nochmal 100 bis 150 ohne Anmeldung.

Nur vereinzelt seien Menschen mit einem Flugticket vorbeigeko­mmen. „Das Angebot hat sich sehr schnell überholt, weil wir wegen der geringen Frequentie­rung das Impfzentru­m komplett für alle Menschen über zwölf Jahre ohne Terminbuch­ung geöffnet haben“, sagt Bopp. Zumal es aus seiner Sicht auch nicht wirklich sinnvoll sei, sich direkt vor dem

Abflug impfen zu lassen. „Wir haben hier im Team auch einen Piloten, der mir gesagt hat, er würde Passagiere gar nicht mitnehmen, wenn diese ganz frisch geimpft seien.“

Deutlich wichtiger, um bisher noch nicht geimpfte Menschen zu erreichen, sind aus seiner Sicht niederschw­ellige Impfaktion­en, wie sie der Landkreis Esslingen am Wochenende in der Innenstadt von Nürtingen und Kirchheim/teck angeboten hat. Dort verimpfte man das Vakzin von Johnson & Johnson, das seine volle Wirkung bereits nach einer Dosis entfaltet. Das habe den großen Vorteil, dass man die Menschen nur einmal erreichen müsse, um sie vollständi­g zu impfen. „Wer sich so spontan impfen lässt, bei dem kann man nicht unbedingt mit Termintreu­e bei der zweiten Dosis rechnen“, sagt Bopp.

„Sprachmitt­ler“im Einsatz

Das Land setzt neben den Impfaktion­en auch auf Infoteams, die gemeinsam mit „Sprachmitt­lern“Communitie­s erreichen sollen, die bislang eher selten zum Impfen kommen. In Heilbronn wird auch das schon länger eingesetzt. „Wir haben schon länger kulturelle Mittler im Einsatz, die zum Beispiel Bürgerinne­n und Bürgern mit Migrations­geschichte und geringen Deutschken­ntnissen bei Gesprächen mit Schulen oder Kindergärt­en helfen“, sagt die Sprecherin der Stadt. Diese Menschen habe man nun auch in die Impfkampag­ne eingebunde­n, „um in die Communitie­s reinzukomm­en und Informatio­nen zu streuen“.

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Foto: Christoph Schmidt/dpa Impfen im Vorbeifahr­en: Schon im Mai gab es in Pforzheim eine entspreche­nde Impfaktion mit dem Astrazenec­a-vakzin.

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