Heidenheimer Neue Presse

Ein Auto als Hotel

Statt in den Urlaub zu fliegen, fahren jetzt auch immer mehr Leute mit umgebauten Camper-autos los. Zwei Menschen geben Tipps für den Selbstausb­au.

- Von Lena Bautze

Urlaub machen im eigenen Auto ist beliebter als je zuvor. Die Pandemie hat das komplette Thema Reisen durcheinan­der gewirbelt. Flugreisen ins Ausland waren kaum mehr möglich, Hotels und Ferienwohn­ungen geschlosse­n, die Sehnsucht nach der Ferne und nach Reisen ließ aber bei vielen nicht nach.

Auch Tim aus Berlin suchte nach einer Alterative und fand sie: Er rüstete vergangene­s Jahr gemeinsam mit seiner Freundin einen eigens gekauften Citroën Berlingo zum Camper um. „An einem Wochenende haben wir das Auto umgebaut“, sagt er. Auf einer ausziehbar­en Box mit einer faltbaren Matratze schlafen sie nun unterwegs. Die Materialie­n hatten sie zum größten Teil übrig oder sich bei Ebay besorgt. „Solche Boxen kann man selbst zusammenba­uen oder in Baumärkten oder von Online-anbietern kaufen“, sagt Tim. Der Preis liegt je nach Modell und Ausstattun­g zwischen 500 und 1500 Euro.

Als Wohnwagen gilt so ein ausgebaute­s Auto nicht. „Handelt es sich nur um sogenannte „Campingbox­en“, welche nicht fest im Fahrzeug montiert werden und herausnehm­bar sind, ist dies kein Umbau, sondern die Ausrüstung lediglich Ladung“, sagt Karsten Graef vom Tüv Süd. Wie bei jeder Ladung gilt auch hier vor allem: Sie muss verkehrssi­cher verstaut sein.

Dass die Faszinatio­n vom Reisen und Übernachte­n im Auto zunimmt, bemerkt auch Daniel Rätz vom Caravaning Industrie Verband (CIVD): „Sicherlich gibt es da einen gewissen Trend, denn Caravaning, also der Urlaub mit Wohnmobile­n und Wohnwagen, boomt ja seit Jahren sehr stark.“Im vergangene­n Jahr wurden erstmals mehr als 100 000 Neufahrzeu­ge (Wohnwagen und Wohnmobile) in Deutschlan­d verkauft. Das war ein Anstieg von knapp einem Drittel zum Vorjahr.

Auch Markus Böhm, stellvertr­etender Museumsdir­ektor des Erwin Hymer Museums in Bad Waldsee, erkennt ein starkes Interesse. „Es ist ein Thema, das immer mehr Menschen für sich entdecken. Ich finde es spannend, was die Leute aus den Wagen machen. Manche bauen auch im Landhausst­il“, sagt er. Am 28. und 29. August gibt es zu dem Thema eine Veranstalt­ung im Museum, bei der unter anderem Harald Reck seine Erfahrunge­n schildert.

Der gebürtige Bad Waldseer Harald Reck hat sich vor 15 Jahren seinen Kindheitst­raum erfüllt und ist mit seinem Mercedes-benz-laster 911 nach Afrika gefahren. Gut ein Jahr lang hat er zusammen mit einem Freund an dem ausrangier­tem Thw-fahrzeug gewerkelt: „Wir mussten es komplett ausbauen“, sagt er. 2006 ging es dann für eineinhalb Jahre los. „Wir sind an der Westküste runter bis nach Gabun und dann ins Landesinne­re.“So eine Reise würde Reck auf jeden Fall wieder machen. „Wir haben so viele Menschen kennengele­rnt und sind oft so freundlich aufgenomme­n worden.“In manchen Orten kamen sogar Bürgermeis­ter und Priester zu den Schwaben und wünschten ihnen viel Glück für die Reise.

Seinen damaligen 911 hat Reck inzwischen verkauft. Aktuell baut er an einem anderen – der nächste Trip ist für 2023 geplant. Wo es genau hingehen soll, ist noch nicht sicher, aber Südamerika steht ganz oben auf der Wunschlist­e. „Wir bauen jetzt schon seit vier Jahren an dem neuen Auto. Wir haben da einiges verbessert und zum Beispiel mehr Karosserie­teile abmontiert, um Gewicht zu sparen“, sagt Reck. Bis auf die Küche, die Technik und die Heizung sei alles fertig.

Auch Tim aus Berlin hat seinen Berlingo schon verkauft und arbeitet aktuell an seinem nächsten Camper – einem Ford Transit Connect: „Uns war der Berlingo doch zu klein“, sagt der gebürtige Stuttgarte­r. Beim jetzigen Ausbau haben er und seine Freundin auch ein raffiniert­eres Schlafsyst­em gebaut, bei dem man eine Seite in die andere schieben kann und somit mehr Stauraum hat. Insgesamt hat sie der Ausbau ungefähr 400 bis 500 Euro gekostet.

Die beiden wollen im Sommer mit ihrem neuen Camper nach Norwegen fahren. „Uns war klar, dass wir was mit dem Auto machen wollen. Da kann man überall parken und übernachte­n.“

Ich finde es spannend, was die Leute machen. Manche bauen im Landhausst­il. Markus Böhm Stellvertr­etender Direktor des Erwin Hymer Museums in Bad Waldsee

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Kurzfristi­g könnte Benzin günstiger werden.

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