Stuttgarter Kammerchor zu Gast
Auftritt des Stuttgarter Kammerchors in der Stuftkirche in Obermedlingen.
Obermedlingen. Seit Marcus Bosch die Opernfestspiele leitet, fällt der Blick stärker auf die Chormusik. Mit dem Engagement des Philharmonischen Chores Brünn als Festspielchor für die Opernaufführungen hat man die Messlatte der Chorkunst hoch gesetzt. So war am Freitag in der Stiftskirche der international hochkarätige Stuttgarter Kammerchor unter Frieder Bernius zu Gast.
Er hatte für das aus Pandemiegründen zwei Mal gegebene und praktisch ausverkaufte Konzert ein exquisites Programm gewählt, das nicht nur Motetten seines „Hausgottes“Felix Mendelssohn Bartholdy enthielt, sondern zum Beispiel auch Dieter Schnebels „Contrapunctus I“– basierend auf Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“und Knut Nystedts überragend gesetzem „Immortal – Komm süßer Tod“, das geschickt mit der Verdichtung und Auflösung von Harmonie, Raum und Zeit agiert.
Die Intensität der Textausdeutung erreichte bei den Mendelssohn-psalmen „Warum toben die Heiden“und „Richte mich, Gott“einen eindringlich schlagkräftigen Duktus und Frieder Bernius zeigte mit minimalistischer Zeichengebung, was ein so am Klang und der Vokalfarbe und distinguiert und nicht „spuckendem“Text geschulter Chor leisten kann.
Frieder Bernius verlor sich nie im falschem Sentiment, die „Warum“-rufe der eröffnenden Brahms-motette rüttelten auf durch ihre Gestaltung und nicht wegen ihrer Explosivität, die Satzschlüsse waren nicht um ihrer selbst Willen zelebriert, sondern delikat ausmusiziert.
Zum Abschluss die bis zu 16-stimmigen Herausforderungen der drei Adaptionen der Mahlerschen Lieder durch Clytus Gottwald. „Es sungen drei Engel“nach den „Knaben Wunderhorn“Liedern, „Im Abendrot“die Neudeutung des „Adagietto“der 5. Sinfonie, das als Filmmusik in „Tod in Venedig“auch der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, und zum Schluss das „Urlicht“.
Zu hören: wunderbare Klangund Vokalfarben, spätromantische Akkordverschiebungen, die den Vergleich mit den instrumentalen Vorbildern ständig einforderten und glückhaftes Agieren und vokale Geschlossenheit. Großes Chorkino, danach langer Applaus.