Die Pop-up Opera kommt zurück
Die Oper „Nau bens hald i“über den Hitler-attentäter steht heute und morgen wieder auf dem Spielplan der Opernfestspiele.
Es gibt sie noch, die guten Nachrichten: „Elser“kommt wieder. Die kurze Oper über den Hitlerattentäter aus dem Heidenheimer Land, die 2020 im Rahmen der coronabedingt knapp gehaltenen Opernfestspiele in Heidenheims Hinterer Gasse uraufgeführt worden war, erlebt eine Wiederaufnahme.
Und zwar heute. Pünktlich ab 11 Uhr wird „Nau bens hald i“dann auf dem Rathausplatz in Heidenheim zu erleben sein. Und wer „Nau bens hald i“im vergangenen Jahr verpasst haben sollte, der sollte sich dies kein zweites Mal leisten. Denn auch wenn es recht dramatisch klingt, so ist es doch wahr: Diese Oper muss man gesehen und gehört haben. Und eigentlich sollte sie, à la Salzburg und als eine Art Heidenheimer „Jedermann“, künftig ohnehin jedes Jahr auf dem Programm der Festspiele auftauchen.
Die pure Essenz
Warum? Diese Frage sei hier gerne noch einmal ausführlicher beantwortet. Weil „Nau bens hald i“, um damit mal zu beginnen, gewissermaßen vom Gedanken zum Denkmal und am Ende darüber hinaus in lediglich zwanzig Minuten nicht nur aus Elsers Geschichte erzählt und dabei die pure Essenz eines Mannes destilliert, der zur Tat schreitet, weil es sonst niemand tut, sondern darüber hinaus auch noch bis auf die Knochen freilegt, warum einer, wenn man so will, zum Elser wird und warum man den, und das ist jetzt selbstverständlich bloß eine Vermutung, immer allein lassen wird.
Präziser, schöner, hässlicher, schlicht besser kann man das alles wohl nicht auf den Punkt bringen. Diese kleine Oper ist ein großes Wunder. Sie erfüllt ohne jeden Abstrich den Tatbestand eines prallen Gesamtkunstwerks, in dem Text, Szene, Musik und Darsteller in einem schier unglaublichen Einklang unterwegs sind.
Und sie kam und kommt, ganz nebenbei bemerkt, wie bestellt und pünktlich zu einer Zeit, da Strömungen wahrzunehmen sind, die Gunst der Krisenstunde womöglich dazu zu nutzen, den Sinn von Kunst als Divertimento zu definieren, als temporär gereichte Ablenkung vom ansonsten leider unvermeidlichen Unabänderlichen.
Geschichte im Hier und Heute
„Nau bens hald i“hingegen bringt es unverzwungen und ohne Kopfstände fertig, Geschichte zu erzählen, Geschichte zu bewerten, einzuordnen, wie Geschichte passieren kann, und Geschichte nicht Geschichte sein zu lassen, sondern sie mit dem Hier und Heute in Verbindung zu bringen.
Das liegt zunächst einmal selbstverständlich am blendend gelungenen, ebenso gescheiten wie sprachlich geschliffenen, pointierten Text von Librettist Hendrik Rupp, der sich nicht zuletzt auch sehr geschickt und elegant die Tatsache zunutze macht, dass jedwede Mundart, hier die schwäbische, eine zweite sprachliche Ebene eröffnet, die der reinen Hochsprache verschlossen ist.
Regisseurin Lisa-marie Krauß bewegt sich spielend mit auf diesem hohen Niveau, findet kraftvolle, ja eigentlich durchweg besonders starke Bilder für das Verhandelte, hält die Geschichte in fesselnder Bewegung und atemloser Spannung und führt die Personen traumwandlerisch sicher.
Wort, Szene und beider Inhalt und Sinn werden in allen Momenten dieses wunderbaren Stücks illustriert, kommentiert und angereichert von Sebastian Schwabs regelrecht maßgeschneiderter Musik, einer schwäbisch sparsam gesetzten, eklektizistischen Komposition, die angesichts des Attentäters aus dem Volke auch immer wieder einen gewissen volkstümlichen Ton durchscheinen lässt und dem versonnenen Akkordeon des bekanntlich musikalischen Einzelgängers die brutale Trommel der Masse gegenüberstellt. Überdies findet Sebastian Schwab für den baritonal gestimmten Titelhelden perfekt sitzende Gesangslinien.
„I war bloß a Schreiner“, sagt der Held am Ende im Angesicht seines eigenen Denkmals in dem Ort, dessen früherer Bürgermeister Elsers Andenken noch bis Ende der 1980er-jahre unangefochten in die Schmuddelecke stellen durfte. Heute, in einer Zeit, wo man sich daran gewöhnt hat, dass der inzwischen ungefährliche Widerstand gegen den Nationalsozialismus noch täglich wächst, wäre es interessant, was einer wie der Elser von den gleichsam aus der entgegengesetzten politischen Himmelsrichtung kommenden Sprachsäuberern und Geschichtsumschreibern hielte, die sich, schier berstend vor Selbstgerechtigkeit, an als moralisch verkommen erkannten Unholden wie Pippi Langstrumpf oder Immanuel Kant abarbeiten und ansonsten das „Gendern“über alles stellen.
Wie dem auch sein möge und egal, warum und wie sehr sich das Elser-bild im Laufe der Jahrzehnte auch gewandelt haben mag, so ist am Schluss, zu dem diese fulminante Elser-hommage in Opernform sicherlich auch bei der Wiederaufnahme kommen wird, nicht zu rütteln: Mit einem Denkmal ist es nicht getan.