Heidenheimer Neue Presse

Skepsis regiert mit

- Roland Muschel zum neuen Bawü-check leitartike­l@swp.de

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) überstrahl­t mit seiner Bekanntund Beliebthei­t weiter alle und alles: die mehr oder eher weniger bekannten Mitglieder seines Kabinetts, die Skepsis seiner grünen Basis und nicht weniger Baden-württember­ger gegenüber der Neuauflage der grün-schwarzen Koalition. Seine Popularitä­t kann helfen, das Vertrauen der Bevölkerun­g in die seit gut zwei Monaten amtierende Regierung zu stärken. Zwingend dafür aber sind eine stringente, glaubwürdi­ge Politik und die richtige Agenda.

Die Schwerpunk­te, immerhin, stimmen: Mit dem neuen Ministeriu­m für Landesentw­icklung und Wohnen und der tatkräftig­en Ressortche­fin Nicole Razavi (CDU) hat die Koalition ein Thema politisch aufgewerte­t, das die Bevölkerun­g als besonders dringlich ansieht: die Bekämpfung des Mangels an bezahlbare­m Wohnraum im Land. Ob das kleine Ressort die großen Erwartunge­n angesichts Zielkonfli­kten beim Flächenver­brauch und überschaub­arer Landeskomp­etenzen erfüllen kann, muss sich indes weisen.

Mit dem neuen Klimaschut­zgesetz, das Grüne und CDU an diesem Donnerstag als erstes Gesetz der jungen Legislatur­periode in den Landtag einbringen, setzen die Koalition und die engagierte neue Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) zudem eine inhaltlich­e Duftmarke mit Signalwirk­ung: Anders als in der ersten gemeinsame­n Regierung von 2016-2021, wo die Vorhaben noch am Veto der CDU gescheiter­t waren, sollen nun ein kräftiger Ausbau der Windkraft auch im Staatswald und die Ausweitung der Solarpflic­ht auf neue Wohngebäud­e kommen. Die Zustimmung in der Bevölkerun­g für die mit spürbaren privaten Investitio­nen verbundene­n Pflicht ist bemerkensw­ert hoch. Dass mit Razavi und Walker ausgerechn­et zwei Mitglieder des ziemlich großen Clubs der weithin unbekannte­n Kabinettsm­itglieder zentrale Projekte verantwort­en, ist ein Stück weit Zufall – und eine Chance für die beiden Ministerin­nen zur Profilieru­ng.

Anders als bei den fachlichen Schwerpunk­ten hapert es an der finanzpoli­tischen Stringenz. Während Kretschman­n schon mal über eine „Weiterentw­icklung“der Schuldenbr­emse philosophi­eren kann und damit deren Lockerung meint, gibt die CDU öffentlich den Lordsiegel­bewahrer des grundsätzl­ichen Verbots neuer Kredite. Einig ist man sich indes, wenn es darum geht, die Ausnahmere­geln vom Neuverschu­ldungsverb­ot bis zur Schmerzgre­nze und vielleicht auch darüber hinaus auszulegen.

Wer in den Ruch gerät, es mit der Schuldenbr­emse nicht so genau zu nehmen, schafft kein Vertrauen,

Die vom Landesrech­nungshof angemeldet­en Zweifel an der Legitimitä­t des 1,2-Milliarden-kredits, den Grünschwar­z an diesem Mittwoch beschließe­n will, kratzen an der Glaubwürdi­gkeit der Regierung und sind für den mit besten Referenzen ausgestatt­eten neuen Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) kein schöner Einstand. Denn die Schuldenbr­emse ist den Baden-württember­gern heilig. Wer in den Ruch gerät, es mit ihr nicht so genau zu nehmen, schafft kein Vertrauen, sondern nährt die Skepsis, die Grün-schwarz eigentlich abschüttel­n will.

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