Heidenheimer Neue Presse

Neuaufbau nach der Zerstörung

Allein die Reparatur der kaputten Straßen, Autobahnen und Schienenwe­ge wird enorm teuer. Verkehrsmi­nister Scheuer sagt schnelle Hilfe zu.

- Von Dorothee Torebko

Kaputte Straßen, verschlamm­te Schienenwe­ge, bröckelige Brücken: In den Hochwasser­gebieten in Nordrheinw­estfalen, Rheinland-pfalz und nun auch in Sachsen und Bayern wurde die Infrastruk­tur teilweise völlig zerstört. Doch gerade für die Versorgung der Bevölkerun­g sind funktionie­rende Straßen und Schienenwe­ge essentiell. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) will den Aufbau der Infrastruk­tur vorantreib­en und sich an diesem Mittwoch im Kabinett dafür einsetzen, dass finanziell­e Hilfen zügig zur Verfügung gestellt werden.

Die Kosten für den Wiederaufb­au sind immens. So sollen Schäden am Schienenne­tz und den Bahnhöfen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro entstanden sein. Teilweise wurden Strecken auf einer Länge von bis zu 25 Kilometern von Wasser unterspült, berichtet die „Bild“. Die Schäden an Straßen sollen mehrere hunderte Millionen Euro betragen. Nach Angaben der Niederlass­ung Rheinland der Autobahn Gmbh vom Dienstag soll der Aufbau der Straßen allein dort mindestens 50 Millionen Euro kosten. „Wir müssen den Menschen vor Ort schnell und unbürokrat­isch helfen. Wir dürfen niemanden im Stich lassen. Brücken, Gleise, Straßen und Mobilfunkm­asten müssen schnellste­ns aufgebaut werden“, sagte Scheuer.

Wasser abpumpen

Um die Infrastruk­tur wieder zu errichten, arbeiten Deutsche Bahn, Autobahn Gmbh und Mobilfunkb­etreiber zusammen. Derzeit sichten Mitarbeite­r der bundeseige­nen Autobahnge­sellschaft, wie viele Straßen und Brücken zerstört wurden und wo die Einsatzkrä­fte noch Wasser abpumpen müssen. „Die Autobahnin­frastruktu­r ist erheblich getroffen worden. Es gab nicht nur Überflutun­gen, sondern auch Schäden an der baulichen Infrastruk­tur“, sagte der Leiter der Niederlass­ung Rheinland der Autobahn Gmbh, Thomas Ganz. Damit der Bau der Straßen schneller vorangeht, will NRW Änderungen im Vergaberec­ht vornehmen, sagte der Staatssekr­etär im Nrw-verkehrsmi­nisterium, Hendrik Schulte. Das heißt: Aufträge sollen schneller vergeben werden, der Bau zügiger beginnen. „Unsere Priorität ist, die Straßen schnell zu reparieren“, sagte Schulte.

„Die Schienenin­frastruktu­r kann schneller wieder ans Netz gehen als Straßen aufgebaut werden“, ist sich Markus Hecht sicher. Er ist Leiter des Fachgebiet­s Schienenfa­hrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr der Technische­n Universitä­t Berlin. Damit die Regional- und Güterzüge wieder über die Schienen fahren können, sind zwei Maßnahmen notwendig. Zum einen müsse der Untergrund unter den Gleisen entwässert werden, damit er tragfähig ist. Das dauere wenige Stunden, wenn das Wasser abgelaufen ist oder abgepumpt wurde. Zum anderen müssen dort, wo die Brücken weggerisse­n wurden, Behelfsbrü­cken gebaut werden. „Wenn die Fundamente noch tragfähig sind, dauert das ein bis zwei Tage“, erläutert Hecht.

Der Berliner Wissenscha­ftler Hecht glaubt jedoch nicht an eine schnelle Inbetriebn­ahme der Schienenwe­ge. Wie behäbig der Konzern sei, habe man bei der Havarie in Rastatt gesehen. 2017 war die für den europäisch­en Bahnverkeh­r bedeutende NordSüd-verbindung zwischen Rastatt und Baden-baden wegen Gleisabsen­kungen gesperrt worden, nachdem beim Tunnelbau Wasser in den Untergrund eingedrung­en waren. „Die Bahn hat zweieinhal­b Monate gebraucht, um zu überlegen, und eine Betonplatt­e zu bauen und aushärten zu lassen, statt schnell eine Behelfsbrü­cke zu errichten“, sagt Hecht. Ähnliches befürchtet er auch beim jetzigen Hochwasser.

Nicht nur schnelle Hilfe ist jetzt gefragt. Auch künftig muss sich das Planen und Bauen der Infrastruk­tur verändern, sind sich Forscher einig. „Die Wissenscha­ft warnt schon lange davor, dass man den Klimawande­l in das Planen und Bauen von Straßen und Schienen einbeziehe­n muss“, sagt Stephan Freudenste­in. Er ist Professor für Verkehrswe­gebau an der Technische­n Universitä­t München und forscht zur konstrukti­ven Gestaltung von Straßenund Eisenbahno­berbausyst­emen.

Anpassung an den Klimawande­l

Seiner Einschätzu­ng nach müsste künftig noch mehr in die Pflege der Vegetation entlang der Schienen und Straßen investiert werden. Diese sei besonders bei starken Winden bruchgefäh­rdet, was zu Streckensp­errungen führen könne. Zwar investiert­e die Bahn in den vergangene­n Jahren 125 Millionen Euro jährlich, um Sturmschäd­en vorzubeuge­n. Doch: „Der Klimawande­l wird es erforderli­ch machen, dass wir noch mehr daran arbeiten müssen, die Infrastruk­tur krisenfest­er zu machen“, erläutert der Tu-forscher aus München.

Bei extremen Fluten wie in NRW und Rheinland-pfalz seien den Aufgabentr­ägern die Hände gebunden. Präventiv könnte man allerdings bei kleineren Regenfälle­n und Stürmen aktiv werden. „Man könnte etwa die Entwässeru­ng der Schienen und Straßen großzügige­r gestalten und die Infrastruk­tur intensivie­rt instand halten“, sagt Freudenste­in. Insgesamt sieht der Forscher Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich gut aufgestell­t. „In den vergangene­n zehn Jahren wurde die Bitte der Wissenscha­ft erhört und viel in die Infrastruk­tur investiert. Daher ist sie auf einem sehr hohen Niveau“, sagt der Münchner.

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Foto: Thomas Frey/dpa Bautrupps versuchen, eine Bundesstra­ße bei Bad Neuenahr wieder befahrbar zu machen. Das Hochwasser hat die Strecke unterspült.

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