Heidenheimer Neue Presse

Kretschman­n kündigt Eile an

Das Land will die Förder-modalitäte­n für kommunale Beschaffun­gen von Luftfilter­n schnell vorlegen. Doch noch ist vieles unklar – und es werden Zweifel an einer Studie zum Thema laut.

- Von Axel Habermehl

Im Zuge der Debatte um die Ausrüstung von Schulen mit mobilen Luftreinig­ungsgeräte­n hat Baden-württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) eine zügige Umsetzung angekündig­t. „Das wird jetzt endverhand­elt, sodass ich hoffe, dass das auch in Gang kommt“, sagte er über ein angekündig­tes Förderprog­ramm der Landesregi­erung für Kommunen. Er nehme an, „dass wir das vor der Sommerpaus­e in trockene Tücher bekommen“.

An den Schulen im Südwesten beginnen kommende Woche die Sommerferi­en, die bis Mitte September dauern. Angesichts auf niedrigem Niveau steigender Corona-inzidenzen blicken viele am Schulleben Beteiligte mit Sorge auf den Herbst. Da die meisten Schüler voraussich­tlich nicht geimpft werden, fordern Eltern-, Schüler- und Lehrerverb­ände sowie Opposition­spolitiker eine flächendec­kende Ausstattun­g von Unterricht­sräumen mit mobilen Raumluftfi­ltern.

Viele fürchten die Kosten

Viele Städte, Kommunen und Landkreise, die als Schulträge­r zuständig sind, fürchten die Kosten der Anschaffun­g. Zudem zweifeln sie angesichts verschiede­ner Studien an der flächendec­kenden Notwendigk­eit und einer effiziente­n Wirkung der Geräte. Kretschman­n hatte kürzlich angekündig­t, ein neues Förderprog­ramm für Schulträge­r aufzulegen. Auch der Bund kündigte ein Förderprog­ramm an.

Details zu Ausschreib­ungsoder Beschaffun­gsrichtlin­ien beider Programme liegen noch nicht vor. „Wir kennen die Modalitäte­n nicht“, sagte Kretschman­n über das Bundesprog­ramm. „Wenn wir darauf warten, vergehen wahrschein­lich Monate, deswegen starten wir unser Programm unabhängig davon.“

Im Landes-programm werde es „schlanke technische Vorgaben“geben, sagte er. Landes-umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) kündigte an, Kommunen bei der Auswahl mit einer Liste zu helfen. „Wir sind gerade dabei, im Rahmen unserer Kompetenze­n der Marktüberw­achung so eine Liste zu erstellen“, sagte sie. Die Geräte müssten gewisse Kriterien erfüllen, etwa zu der Luftreinig­ungsqualit­ät oder dem Geräuschpe­gel.

Der Schalldruc­k, den die Geräte erzeugen, gilt Kritikern als stärkstes Gegenargum­ent. Wissenscha­ftler der Universitä­t Stuttgart, die im Auftrag der Landeshaup­tstadt eine Studie zum Thema erstellt haben, warnten vor Grenzwerte-überschrei­tendem Lärm sowie einem „Luftzug, der stark darüber hinausgeht, was Menschen als ,behaglich’ empfinden“, wie der verantwort­liche Professor Konstantin­os Stergiarop­oulos im Interview mit dieser Zeitung sagte. Daher, und weil

Lüften über Fenster ähnlich gut die Aerosolbel­astung reduziere, riet er von einer flächendec­kenden Ausstattun­g ab; zumal Luftfilter weder CO2 noch Luftfeucht­igkeit abtranspor­tierten.

Eltern- und Lehrervert­reter ziehen die Schlussfol­gerungen der Studie inzwischen in Zweifel. Aus den Ergebnisse­n der Experiment­e ließen sich die Empfehlung­en nicht ableiten, kritisiert­e der Vorsitzend­e des Landeselte­rnbeirats, Michael Mittelstae­dt. Die Studie ergebe eindeutig, dass mobile Luftfilter das Infektions­risiko stärker mindern als das Lüften über Fenster. Zudem äußerten sich laut einer in der Studie enthaltene­n Umfrage unter Nutzern diese tolerant über die Geräuschun­d Zugluftbel­ästigung. „Es erweckt schon den Eindruck, dass der Auftraggeb­er ganz klar gesagt hat, was er rausbekomm­en möchte“, sagte Mittelstae­dt über die Studie. „Betrug ist ein hartes Wort, aber es geht schon in die Richtung“, befand er.

Ähnlich kritisch äußerte sich der Landesvors­itzende des Philologen­verbands, Ralf Scholl. Die Diskrepanz­en zwischen den Ergebnisse­n von Experiment­en wie Befragunge­n und den Empfehlung­en der Studien-autoren empfinde er als frappieren­d. „Das geht nicht, das ist unredlich“, sagte Scholl.

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Foto: Arne Dedert/dpa Nach den Sommerferi­en sollen die Schulen mit mobilen Luftfilter­n ausgestatt­et sein.

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