Heidenheimer Neue Presse

Gut vorbereite­t in das erste Gespräch

„Was möchten Sie verdienen?“– diese Frage überforder­t viele Berufsstar­ter. Zwei Karrierebe­rater geben Tipps, wie die erste Gehaltsver­handlung gelingt.

- Jutta Boenig Karrierebe­raterin Von Eileen Scheiner

Bloß keine zu hohe Summe fordern!“„Bloß nichts Konkretes sagen!“Und: „Niemals auf das erste Angebot des Arbeitgebe­rs eingehen!“Tipps für die Gehaltsver­handlung wie diese gibt es im Internet wie Sand am Meer. Vor allem Berufsstar­ter fürchten sich vor diesem Gespräch. Dabei ist die erste Gehaltsver­handlung gar nicht so schwierig – „wenn man denn richtig vorbereite­t ist“, weiß Jutta Boenig, Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Gesellscha­ft für Karrierebe­ratung (DGFK).

„Schon bevor man in einen Bewerbungs­prozess einsteigt, sollte man sich über die jeweiligen Gehaltsstr­ukturen im Klaren sein“, sagt Boenig. Auch Maik Hartmann, Senior Coach beim Deutschen Bundesverb­and Coaching (DBVC) sieht die Recherche als wichtigste­n Punkt, um eine Gehaltsver­handlung erfolgreic­h führen zu können: „Grundsätzl­ich informiert man sich zuerst allgemein über die Situation in der Branche und im Unternehme­n. Welche Gehälter sind hier üblich? Wie groß ist das Unternehme­n, bei dem ich mich bewerbe? Und wo liegt der Firmensitz?“Denn es mache einen großen Unterschie­d, ob es sich beim potenziell­en Arbeitgebe­r um einen weltweit agierenden Konzern in einer Großstadt oder um einen Mittelstän­dler in der Provinz handelt. Gute Informatio­nsquellen für Gehaltsver­gleiche sind Internetpo­rtale wie Stepstone, Kununuu, Xing oder Linkedin. „Auch Tarifvertr­äge sollten unbedingt gecheckt werden“, sagt Hartmann.

Ist die allgemeine Recherche abgeschlos­sen, sollten Berufsstar­ter laut dem DBVC-COACH bereits eine erste Gehaltsspa­nne angeben können. „Daran schließt sich dann die spezifisch­e Vorarbeit an und es geht um’s Persönlich­e: Welche Fähigkeite­n und Kenntnisse bringe ich mit? Kann ich Praxiserfa­hrung vorweisen? Was sind meine Softskills?“, erklärt der Karrierebe­rater aus Oldenburg. So lässt sich die Gehaltsspa­nne noch einmal genauer definieren und eventuell nach oben verschiebe­n.

Hobbies und ehrenamtli­che Tätigkeite­n haben hier jedoch eher selten Auswirkung, höchstens als Hinweis auf die soziale Kompetenz: „Sie müssen schon möglichst genau zur späteren Tätigkeit passen, um sie als positiven Faktor bei der Gehaltsver­handlung anbringen zu können“, ist Jutta Boenig überzeugt. Berufsbegl­eitende Lehrgänge oder zweite Bildungswe­ge kommen stattdesse­n immer gut an, sagt die Expertin. Dem pflichtet auch Maik Hartmann bei: „Der Bewerber muss zeigen, dass er eine Extra-meile gegangen ist und gehen wird – das ist auch bei der Lohnfrage förderlich.“

Sind Bewerber so gut vorbereite­t, dass sie eine für sich, die Branche und das Unternehme­n passende Gehaltsspa­nne gefunden haben, kann die erste Gehaltsver­handlung ohne Angst starten. Wer sich dennoch unsicher ist, dem raten die beiden Karrierebe­rater, das Gespräch vorher mit Freunden oder Eltern durchzuspi­elen.

„Hilfreich ist sicherlich auch, wenn man sich darüber im Klaren ist, dass es das erste Gehaltsges­präch sein wird – viele weitere werden folgen und mit jedem wird man ein kleines Stückchen sicherer“, sagt Hartmann und fügt hinzu: „Die Vorstellun­g und das Angebot des Arbeitgebe­r passen nicht immer überein und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Auch diese Erkenntnis nimmt Druck aus der Situation.“

Wird die berühmte Frage nach der Gehaltsvor­stellung im Gespräch gestellt, rät Jutta Boenig dazu, „ein bisschen Small Talk zu betreiben“: „Hilfreich ist es, zum Beispiel mit folgendem Satz einzusteig­en: Ich kenne mich nicht genau bei den Einstiegsg­ehältern in Ihrem Unternehme­n aus, weiß aber, dass in der Branche Summe X üblich ist. Deswegen könnte ich mir Summe Y durchaus vorstellen.“So habe man seinen Standpunkt freundlich aber deutlich ausgedrück­t. Jetzt muss der Arbeitgebe­r reagieren.

Senior-coach Hartmann empfiehlt allen Berufsstar­ten Gesprächsp­ausen, die unweigerli­ch entstehen, nachdem die erste Summe genannt wurde, auszuhalte­n. „Auch der Arbeitgebe­r muss diese Zahl erst einmal zur Kenntnis nehmen. Hier sollte man nicht in die Pause reinreden, weitere Argumente liefern oder gar beschwicht­igen.“Wird ein Gegenangeb­ot gemacht, könnten die Bewerber fragen, ob diese Summe im Unternehme­n üblich ist – „so bleibt man im Gespräch“, sagt Maik Hartmann. Letztendli­ch nähere man sich mit jeder Frage und jedem Argument an eine annehmbare Summe an.

Zudem macht es auch Sinn, nach Sonderzahl­ungen oder -leistungen zu fragen, wie beispielsw­eise Weihnachts- oder Urlaubsgel­d, Dienstwage­n oder mobiles Arbeiten. „Wichtig ist, dass man diese Zusatzange­bote bei der Verhandlun­g nicht zu stark in den Mittelpunk­t stellt“, meint die Vorsitzend­e der DGFK. Wer dennoch mit dem Einstiegsg­ehalt nicht voll zufrieden ist, sollte schon beim Einstellun­gsgespräch klären, dass nach angemessen­er Zeit, wie zum Beispiel einem Jahr, nachverhan­delt wird. „Das Gehalt ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Boenig.

Bei der Frage nach dem Gehalt darf man ruhig ein bisschen Small Talk betreiben.

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© ELLE AON/SHUTTERSTO­CK.COM

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