Heidenheimer Neue Presse

Teures Projekt

- Leitartike­l Peter Dethier zur Nord-stream-einigung leitartike­l@swp.de

Seit Jahren hat der Streit um die Pipeline Nord Stream 2 die Beziehunge­n zwischen Berlin und Washington belastet, nun haben Us-präsident Joe Biden und Bundeskanz­lerin Angela Merkel für einen Durchbruch gesorgt, der allerdings mit Fragezeich­en versehen ist. Das Weiße Haus gibt seine Opposition gegen das Projekt auf, womit der Präsident sich im eigenen Land aufs politische Glatteis begibt.

Die Bundesregi­erung hingegen erklärt sich zu Sanktionen bereit, sollte Moskau das Projekt als Hebel einsetzen, um die Ukraine unter Druck zu setzen. Unklar ist aber, wie diese aussehen und ob sie tatsächlic­h verhängt würden. Auch greift die Bundesregi­erung auf eine bewährte Strategie zurück und dreht den Geldhahn auf, um einen internatio­nalen Konflikt zu entschärfe­n. Milliarden­beträge wird die Bundesregi­erung in erneuerbar­e Energien in der Ukraine investiere­n und zudem sicherstel­len, dass Kiew weiter Transitgeb­ühren für die Pipeline kassiert.

Das größere Risiko liegt beim Präsidente­n, der sich nicht nur den Zorn der Republikan­er zugezogen hat, sondern auch Irritation­en in den eigenen Reihen ausgelöst hat. Schließlic­h ist die Ablehnung der Erdgaspipe­line einer der wenigen Punkte, in denen sich Demokraten und Republikan­er einig sind. In den kommenden Wochen wird Biden sowohl Parteifreu­nden auch Mitglieder­n der Opposition Rede und Antwort stehen müssen. Das wiederum hat handfeste, politische Folgen.

So wollen Republikan­er als Antwort auf den Kompromiss die Besetzung von Botschafte­rposten und anderen Schlüsselä­mtern blockieren. Demokraten hingegen sehen ihre Position mit Blick auf die 2022 anstehende­n Kongresswa­hlen geschwächt. als

Schließlic­h hatten sie während Donald Trumps Amtszeit die Ukraine unterstütz­t, von der Trump belastende Informatio­nen über Biden erzwingen wollte und deswegen die Blamage eines Impeachmen­t hinnehmen musste. Nun sehen sie und ihr Präsident sich dem Vorwurf ausgesetzt, ähnlich wie Trump dem Druck des Kremls nachzugebe­n, anstatt Putin die Stirn zu bieten. Das geht bei Wählern zu Lasten der Glaubwürdi­gkeit und könnte Demokraten im Kongress ihre Mehrheiten kosten.

Trotz der Kritik, die Biden an der heimischen Front einstecken muss, hat er immerhin ein klares Signal gesetzt.

Biden hat sein Talent für politische­n Pragmatism­us bei Nord Stream 2 unter Beweis gestellt.

Ihm ist nämlich ein intaktes Verhältnis zu Berlin offenbar wichtiger als der Schultersc­hluss mit Demokraten. Damit unterstrei­cht er sein Bekenntnis zur nordatlant­ischen Allianz und zum Multilater­alismus. Er hat aber auch sein Talent für politische­n Pragmatism­us unter Beweis gestellt. Biden weiß sehr wohl, dass Nord Stream 2 der falsche Ansatzpunk­t war, um Moskau an den Pranger zu stellen, zumal Deutschlan­d seit Jahren über andere Gasleitung­en beliefert wird.

Bleibt nur die Frage, warum Merkel den Deal nicht vergangene Woche als Abschiedsg­eschenk aus Washington mitnehmen konnte. Der Teufel stecke im Detail, sagt die Us-regierung, und die letzten Einzelheit­en seien noch nicht ausgebügel­t gewesen, heißt es.

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