Teures Projekt
Seit Jahren hat der Streit um die Pipeline Nord Stream 2 die Beziehungen zwischen Berlin und Washington belastet, nun haben Us-präsident Joe Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen Durchbruch gesorgt, der allerdings mit Fragezeichen versehen ist. Das Weiße Haus gibt seine Opposition gegen das Projekt auf, womit der Präsident sich im eigenen Land aufs politische Glatteis begibt.
Die Bundesregierung hingegen erklärt sich zu Sanktionen bereit, sollte Moskau das Projekt als Hebel einsetzen, um die Ukraine unter Druck zu setzen. Unklar ist aber, wie diese aussehen und ob sie tatsächlich verhängt würden. Auch greift die Bundesregierung auf eine bewährte Strategie zurück und dreht den Geldhahn auf, um einen internationalen Konflikt zu entschärfen. Milliardenbeträge wird die Bundesregierung in erneuerbare Energien in der Ukraine investieren und zudem sicherstellen, dass Kiew weiter Transitgebühren für die Pipeline kassiert.
Das größere Risiko liegt beim Präsidenten, der sich nicht nur den Zorn der Republikaner zugezogen hat, sondern auch Irritationen in den eigenen Reihen ausgelöst hat. Schließlich ist die Ablehnung der Erdgaspipeline einer der wenigen Punkte, in denen sich Demokraten und Republikaner einig sind. In den kommenden Wochen wird Biden sowohl Parteifreunden auch Mitgliedern der Opposition Rede und Antwort stehen müssen. Das wiederum hat handfeste, politische Folgen.
So wollen Republikaner als Antwort auf den Kompromiss die Besetzung von Botschafterposten und anderen Schlüsselämtern blockieren. Demokraten hingegen sehen ihre Position mit Blick auf die 2022 anstehenden Kongresswahlen geschwächt. als
Schließlich hatten sie während Donald Trumps Amtszeit die Ukraine unterstützt, von der Trump belastende Informationen über Biden erzwingen wollte und deswegen die Blamage eines Impeachment hinnehmen musste. Nun sehen sie und ihr Präsident sich dem Vorwurf ausgesetzt, ähnlich wie Trump dem Druck des Kremls nachzugeben, anstatt Putin die Stirn zu bieten. Das geht bei Wählern zu Lasten der Glaubwürdigkeit und könnte Demokraten im Kongress ihre Mehrheiten kosten.
Trotz der Kritik, die Biden an der heimischen Front einstecken muss, hat er immerhin ein klares Signal gesetzt.
Biden hat sein Talent für politischen Pragmatismus bei Nord Stream 2 unter Beweis gestellt.
Ihm ist nämlich ein intaktes Verhältnis zu Berlin offenbar wichtiger als der Schulterschluss mit Demokraten. Damit unterstreicht er sein Bekenntnis zur nordatlantischen Allianz und zum Multilateralismus. Er hat aber auch sein Talent für politischen Pragmatismus unter Beweis gestellt. Biden weiß sehr wohl, dass Nord Stream 2 der falsche Ansatzpunkt war, um Moskau an den Pranger zu stellen, zumal Deutschland seit Jahren über andere Gasleitungen beliefert wird.
Bleibt nur die Frage, warum Merkel den Deal nicht vergangene Woche als Abschiedsgeschenk aus Washington mitnehmen konnte. Der Teufel stecke im Detail, sagt die Us-regierung, und die letzten Einzelheiten seien noch nicht ausgebügelt gewesen, heißt es.