Heidenheimer Neue Presse

Hilfe ohne Limit für Flutopfer

Hochwasser Die Bundesregi­erung hat ein erstes Paket geschnürt, um die Menschen in den betroffene­n Gebieten zu unterstütz­en. Finanzmini­ster Scholz ist klar, dass noch viele Milliarden dazu kommen. Von Dieter Keller

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Am Geld wird die Hilfe nicht scheitern. Dafür zahlen die Leute doch Steuern, damit ihnen in solchen Situatione­n geholfen wird.“Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und sein Finanz-kollege Olaf Scholz (SPD) demonstrie­rten große Eintracht, als sie am Mittwoch die Beschlüsse des Bundeskabi­netts über das Hilfspaket für die Hochwasser­regionen präsentier­ten. Beide stehen noch ganz unter dem Eindruck ihrer Besuche vor Ort, wo sehnsüchti­g auf Hilfszusag­en gewartet wird. Erst einmal ist von 200 Millionen Euro vom Bund und der gleichen Summe von den Ländern die Rede. Klar ist aber: Es geht um Milliarden, auch wenn es für genauere Beträge noch zu früh ist – eine Solidarakt­ion des ganzen Landes.

Soforthilf­en

Zunächst stehen 400 Millionen Euro für die Überbrücku­ng von Notlagen sowie die Beseitigun­g unmittelba­rer Schäden an Gebäuden und der kommunalen Infrastruk­tur zur Verfügung. Der Bund übernimmt die Hälfte, den Rest die betroffene­n Länder. „Wenn mehr gebraucht wird, stellen wir auch mehr zur Verfügung“, bekräftigt­e Scholz. Es gibt weder eine Obergrenze noch feste Quoten für einzelne Länder. Nordrhein-westfalen spricht schon von 200 Millionen Euro, die es selbst zur Verfügung stellt, Rheinland-pfalz und Bayern – das ein wenig im Schatten steht – jeweils von 50 Millionen Euro. Die Regeln für die Verteilung stellen die Länder auf. Sie sind auch für die Auszahlung zuständig. Rheinland-pfalz will als Soforthilf­e 1500 Euro pro Haushalt zahlen plus 500 Euro für jede Person, die dazugehört, maximal 3500 Euro. Schnell und unbürokrat­isch soll es gehen. Es gibt keine Einkommens­oder Vermögensp­rüfung. Nordrhein-westfalen denkt an ähnliche Größenordn­ungen.

Rettungsko­sten

Früher war es üblich, dass der Bund für den Einsatz von Technische­m Hilfswerk, Bundeswehr und Bundespoli­zei den Kommunen eine Rechnung schickte. Das sorgte bei den Bürgermeis­tern für viel böses Blut, erinnert sich Seehofer noch gut aus seiner Zeit als bayerische­r Ministerpr­äsident. Darauf verzichtet der Bund jetzt grundsätzl­ich. Immerhin hat er rund 8000 Helfer geschickt.

Wiederaufb­au Bei Bundesstra­ßen, Eisenbahns­chienen und anderem, bei dem der Bund Eigentümer ist, muss er die Reparatur oder den Neubau alleine bezahlen. Schon das dürfte Milliarden kosten. Am übrigen Wiederaufb­au, der erst einmal Sache der Länder ist, will er sich „im erforderli­chen Umfang“finanziell beteiligen, also die Hälfte der Kosten schultern. Bis Ende Juli sollen genauere Summen feststehen und mit den 16 Ministerpr­äsidenten besprochen werden. Dabei setzt Scholz auf Tempo: Wegen der beschlosse­nen Gesetze zur Planungsbe­schleunigu­ng sei kein neues zeitaufwän­diges Planfestst­ellungsver­fahren nötig, um Brücken oder Häuser wiederaufz­ubauen.

Der Finanzmini­ster kann auf die Erfahrunge­n früherer Hochwasser zurückgrei­fen. Zuletzt waren 2013 gleich elf Bundesländ­er betroffen, am stärksten Bayern sowie Ostdeutsch­land. Dieser Fall zeigt auch, wie langwierig die Sache sein kann: Die Abrechnung ist immer noch nicht abgeschlos­sen. Ursprüngli­ch hatte der Bund diesen Sonderfond­s mit acht Milliarden Euro ausgestatt­et. Doch so viel war nicht nötig; 1,8 Milliarden Euro wurden inzwischen wieder an den Bundeshaus­halt zurücküber­wiesen. Scholz betonte, aus diesen Beträgen lasse sich nicht ableiten, wie viel er diesmal zur Verfügung stellen müsse.

Unternehme­n Damit der Betrieb rasch weiterlauf­en kann, sollen

Unternehme­n neben Sofort- und Aufbauhilf­en auch Mittel zur Überbrücku­ng von Umsatzausf­ällen bekommen. Es gehe um die Sicherheit, dass niemand seine Existenz verliere, betonte Scholz. Genaueres ist noch offen. Von der pauschalen Hilfe von 10 000 Euro je Betrieb, die Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) ins Gespräch gebracht hatte, ist aber nicht mehr die Rede.

Wohngebäud­e

Eigentlich hatten die Ministerpr­äsidenten schon 2017 beschlosse­n, dass die Länder für Flut- oder Hagelschäd­en nur noch dann einstehen, wenn die Eigentümer keine Versicheru­ng gegen Elementars­chäden bekamen. Tatsächlic­h hat sich aber nur gut ein Drittel in Rheinland-pfalz und knapp die Hälfte in Nordrhein-westfalen gegen Elementars­chäden abgesicher­t. Letztlich läuft alles darauf hinaus, dass der Staat jetzt doch wieder einspringt. „Wer betroffen ist, kann nichts dafür“, meinte Scholz. Zahlungen der Versicheru­ng werden angerechne­t. Es gibt aber keine Prämien zurück.

Versicheru­ngspflicht Daher gibt es wieder Forderunge­n nach einer Versicheru­ngspflicht zumindest für Wohngebäud­e gegen Elementars­chäden wie Starkregen und Hagel. Beschließe­n müssten das die Bundesländ­er. Auch darüber will der Bund jetzt mit ihnen verhandeln. Wer in Passau direkt an der Donau wohne, werde keine Versicheru­ng finden, betonte Seehofer – die Sache ist nicht so einfach, wie sie klingt.

Zukünftige Absicherun­g „Wir müssen damit rechnen, dass uns solche Ereignisse häufiger erreichen“, ist für Scholz klar. Daher will der Bund mit den Ländern über den künftigen Umgang mit Großschäde­n und ihre finanziell­e Beteiligun­g diskutiere­n. Ob dafür ein dauerhafte­r Hilfsfonds eingericht­et wird, ist offen.

 ?? Foto: Thomas Frey/dpa ?? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hat sich mit Malu Dreyer, der Ministerpr­äsidentin von Rheinland-pfalz, ein Bild von den Zerstörung­en gemacht.
Foto: Thomas Frey/dpa Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hat sich mit Malu Dreyer, der Ministerpr­äsidentin von Rheinland-pfalz, ein Bild von den Zerstörung­en gemacht.

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