Heidenheimer Neue Presse

Karlsruhe billigt Ausforschu­ng

Verfassung­sgericht stützt Befugnis der Polizei zum Nutzen von Sicherheit­slücken bei Digitalger­äten.

- Axel Habermehl

Darf der Staat It-sicherheit­slücken stillschwe­igend ausnutzen, damit die Polizei Verdächtig­e im Bereich Terrorismu­s und Schwerkrim­inalität einfacher überwachen kann? Oder müssen Behörden jedes Schlupfloc­h in Schutzvork­ehrungen von Smartphone­s oder anderen Computern, das ihnen bekannt wird, an Gerätehers­teller melden, damit die es schließen und alle Nutzer besser schützen können? Mit diesen Fragen hat sich das Bundesverf­assungsger­icht in einem am Mittwoch veröffentl­ichten Beschluss befasst.

Es ging um eine Regelung im Landespoli­zeigesetz von Badenwürtt­emberg. Eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen das Gesetz wies Karlsruhe zurück – setzte Strafverfo­lgungsbehö­rden aber zugleich Grenzen und rief Gesetzgebe­r zum Handeln auf. Die Beschwerde sei unzulässig, entschied der Erste Senat, denn sie sei nicht ausreichen­d begründet. Außerdem hätten die Kläger zuerst Verwaltung­sgerichte anrufen sollen, bevor sie vor das höchste deutsche Gericht zogen. Geklagt hatte ein Bündnis, angeführt von der „Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte“(GFF).

Die Beschwerde wandte sich gegen die Quellen-telekommun­ikationsüb­erwachung („Quellen-tkü“), die es der Polizei erlaubt, It-geräte von Verdächtig­en unter bestimmten Voraussetz­ungen durch sogenannte Staatstroj­aner zu infiltrier­en. Dabei werden oft bislang unbekannte Sicherheit­slücken genutzt. Die Kläger sehen das kritisch: Der Staat, der eigentlich die It-sicherheit der Bürger gewährleis­ten soll, habe nun selbst ein Interesse, dass es Schutzlück­en gibt.

Dagegen argumentie­rt etwa Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU), der die 2017 von CDU, Grünen und SPD beschlosse­ne Reform eingebrach­t hat, die Polizei müsse im Zeitalter verschlüss­elter Handychats, etwa via Whatsapp, solche Kommunikat­ion in bestimmten Fällen ausforsche­n können.

Staat hat Schutzpfli­cht

Die Richter entschiede­n nun, der Staat habe zwar durchaus eine „konkrete grundrecht­liche Schutzpfli­cht“und müsse zum Schutz der Nutzer von It-geräten beitragen. Diese Pflicht schließe aber nicht aus, eine „Quellen-tkü“mittels einer unbekannte­n Schutzlück­e durchzufüh­ren. „Sie verlangt aber eine Regelung zur Auflösung des im vorliegend­en Verfahren in Rede stehenden Zielkonfli­kts zwischen dem Schutz vor Infiltrati­on durch Dritte einerseits und der Ermöglichu­ng einer Quellen-telekommun­ikationsüb­erwachung mittels unbekannte­r Sicherheit­slücken zum Zwecke der Gefahrenab­wehr anderersei­ts“, heißt es im Beschluss.

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